„Jede dritte Frau und trotzdem kommt es mir absurd vor , dass ich eine von ihnen sein soll.“
(Lina in When the rain burns)
(Lina in When the rain burns)
Worum geht’s?
Nach dem verheerenden Schul-Amoklauf, bei dem sie ihre beste Freundin verliert, will Lina nur weg und vergessen. Sie lässt alles hinter sich – auch Liam, der sie durch die dunkelste Zeit begleitete. Als Lina Tom kennenlernt und sich verliebt, fühlt sie sich wieder geborgen. Doch was als glückliche Beziehung beginnt, wird schon bald zu einem Alptraum. Tom kontrolliert, demütigt und gaslightet sie. Lina muss die Kraft aufbringen und zu dem Menschen zurückkehren, der ihr schon einmal beim Überleben geholfen hat. Aber wird Liam immer noch für sie da sein? Und kann Lina sich selbst und der Liebe jemals wieder trauen?
When the rain burns ist ein Einzelband und in sich geschlossen.
Schreibstil und inhaltliche Hinweise
Das Buch ist in der Ich-Perspektive von Lina und vereinzelt Liam geschrieben. Das Buch beinhaltet potenziell triggernde Themen aus dem Bereich Schulamoklauf, toxische Beziehung und häusliche Gewalt.
Meine Meinung
Justine ist einer meiner absoluten Lieblingsautorinnen im deutschen Bereich. Ich habe bereits einige Bücher von ihr gelesen und finde, dass sie über ein wahnsinniges Fingerspitzengefühl verfügt, was emotionale und belastende Themen angeht. In ihren bisherigen Reihen hat sie mit dem Wissen aus ihrem beruflichen Hintergrund in beeindruckender Weise Themen wie funktionale Depression und häusliche Gewalt in verschiedenen Facetten an den Leser gebracht. Als entsprechend angekündigt wurde, dass Justine im Rahmen des heartlines Projekts die Geschichte von Storygeberin Sina – Überlebende eines Schulamoklaufs und Betroffene einer toxischen Beziehung - erzählen wird, war meine Freude absolut riesig. Kaum einer Autorin im deutschsprachigen Bereich traurig derart sensible Themen so sehr zu wie Justine.
Die Geschichte begleitet Protagonistin Lina, die vor einigen Jahren einen Schul-Amoklauf miterleben musste. Bei diesem hat sie ihre beste Freundin verloren. Themen wie Überlebensschuld, generelle Schuldgefühle und die Frage nach dem Warum werden in diesem Buch am Rande thematisiert. Denn in dieser Geschichte geht es nicht vordergründig um den Amoklauf, sondern um Linas gegenwärtiges Leben als junge Erwachsene. Dennoch strahlt die Hintergrundgeschichte selbstverständlich in die Gegenwart aus und spielt vor allem in Bezug auf Liam auch eine Rolle. Lina und Liam waren damals befreundet, er war der Boyfriend ihrer verstorbenen besten Freundin Nele und entsprechend haben sich beide gegenseitig gestützt, sind dann aber letztendlich getrennte Wege gegangen. Liam leidet unter selektivem Mutismus und muss sich mit der drohenden Insolvenz des elterlichen Schreinerbetriebes auseinandersetzen. Lina hingegen hat angefangen zu studieren und lernt bei einem Tanzkurs ihren Partner Tom kennen. Die Geschichte von Lina und Tom sind der Fokus des Buches - und nichts für schwache Nerven. Es geht um Gaslighting, Wutanfälle, emotionale und körperliche Gewalt und Manipulation. Häusliche Gewalt und toxische Beziehungen sind ein Thema, was leider mittlerweile sehr alltäglich, aber gleichzeitig in der Literatur sehr unterrepräsentiert ist. Und gerade aus diesem Grund finde ich dieses Buch so wahnsinnig richtig und wichtig - es tut weh, es wühlt auf, aber es öffnet vor allem auch die Augen für potenzielle Warnanzeichen, nicht nur für Betroffene, sondern auch für Angehörige. Justine ist es hierbei gelungen, den wahnsinnigen dynamischen Prozess darzustellen. Linas Gedankenwelt ist vielfältig und ehrlich, zeigt die innere Zerrissenheit und den steten Glauben und die Hoffnung, das alles doch noch irgendwie werden könnte. Jeder Charakter in diesem Buch ist super gelungen und spielt eine wichtige Rolle in Linas Entwicklungsprozess, sich aus dieser Beziehung zu lösen.
Nun ist es allerdings auch so, dass Liam und Lina wieder beginnen Kontakt zueinander zu haben - auf rein freundschaftlicher Basis. Gegen Ende der Geschichte entwickelt sich hier jedoch mehr und auch wenn ich verstehen kann, dass man dem Leser ein angenehmes Ende geben möchte, hat mich diese Entwicklung nicht hundertprozentig überzeugt. Außerdem - und es fällt mir schwer das zu sagen, weil dieses Buch letztendlich auf einer wahren Lebensgeschichte basiert - war mir die Thematik mit dem Amoklauf und der toxische Beziehung etwas zu viel, weil ich das Gefühl hatte, dass die Geschichte um dem Amoklauf gar nicht so viel Raum bekommt. Hier hätte ich mir eventuell einen Zweiteiler gewünscht, auch einfach damit Liam in diesem Buch mehr Aufmerksamkeit kriegt, denn man merkt schon, dass diesem Buch Linas Perspektive und Leben zugrunde liegt und er deswegen ein kleines wenig „untergeht“ mit einer Geschichte. Das ist aber schon meckern auf recht hohem Niveau, denn das Buch ist wirklich gut gelungen.
Mein Fazit
When the rain burns war wie immer toll geschrieben und man merkt der Autorin ihr Fingerspitzengefühl an. Es behandelt das wichtige Thema der häuslichen Gewalt und toxischen Beziehung, aber die Liebesgeschichte zu Liam war für mich nicht wirklich präsent. Mehr eine Leidens- als eine Liebesgeschichte, aber dafür mit viel Behutsamkeit und voller Hoffnung.
Bewertung: ★★★★☆
[Diese Rezension basiert auf einem vom Verlag oder vom Autor überlassenen Rezensionsexemplar. Meine Meinung wurde hiervon nicht beeinflusst.]