„Nicht jeder sieht die Dunkelheit, denn manchmal versteckt sie sich zwischen Licht und Glanz.“
(Elias in Wo die Sterne uns sehen)
(Elias in Wo die Sterne uns sehen)
Worum geht’s?
Studentin Willa engagiert sich im Ehrenamt und leitet gleich mehrere Selbsthilfegruppen: Für andere da zu sein, bedeutet ihr alles – gleichzeitig gelingt es ihr nur so, ihr inneres Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Als Willa Elias im Gemeindezentrum bei der Rollstuhl-Basketballgruppe kennenlernt, fliegen zwischen ihnen die Funken. Mit ihm erscheint Willa alles einfach, doch was, wenn ihre Dunkelheit sein Licht verschluckt? Je mehr Zeit die beiden miteinander verbringen, desto mehr gerät Willas Kartenhaus ins Wanken – bis sie schließlich zu Mitteln greift, die nicht nur sie selbst verletzen ...
Wo die Sterne uns sehen ist Band 1 der Skyline-Reihe. Die Geschichte ist in sich geschlossen.
Inhaltliche Hinweise
Die Geschichte wird durch Willa und Elias in der Ich-Perspektive erzählt, wobei Willas Erzählanteil überwiegt. Das Buch beinhaltet Thematiken, die triggern können, insbesondere aus dem Bereich Depressionen. Die Triggerwarnung sollte berücksichtigt werden.
Meine Meinung
Es gibt jede Menge Bücher, auf die ich mich in einem durchschnittlichen Jahr freue. Dieses Buch aber stand auf der Liste ganz weit oben. Einfach, weil ich bereits Justines Belmont Bay-Reihe gelesen und für sehr gut befunden habe. Ich weiß, was Justine abliefern kann und hatte entsprechend hohe Erwartungen an dieses Buch. Aber ganz ehrlich? Diese wurden absolut übertroffen.
Gleich vorweg: Wo die Sterne uns sehen ist kein Wohlfühlbuch, zumindest nicht auf die klassische Weise. Denn gleichzeitig fühlt man sich beim Lesen auf eine undefinierbare Art wohl, gehört, gesehen, berücksichtigt, selbst wenn man die Erlebnisse und Erfahrungen der Charaktere nicht teilt. Denn das Buch spricht das Grundthema an, dass jeder mit seiner eigenen Art von Trauma – in welcher Form auch immer – zu kämpfen hat. Aber auch, dass es immer etwas im Leben gibt, für das es sich zu kämpfen lohnt. Dieses Buch ist so viel mehr als ein Romance-Buch, bei dem man lächelnd und schmachtend erlebt, wie zwei Leute sich verlieben. Dieses Buch ist eine Abrechnung mit dem Leben mit seinen Hindernissen und Stolpersteinen, eine Liebeserklärung an die Hoffnung und den Mut, weiterzumachen. Es ist eine Herausforderung für den Leser, der sich mit Willa und Elias auf eine Reise begibt, die unter anderem die Probleme der Sozialarbeit beleuchtet, die innere Zerrissenheit zwischen Helfen-Wollen, Helfen-Können und Helfen-Sollen anspricht und dabei in einer so behutsamen, so greifbaren und gleichzeitig schmerzhaften Weise Themen angeht, die sicher häufig in Romance-Büchern vorkommen, aber meist als Wegbegleiter, Wendepunkte oder einfach Geheimnisse verwendet werden. Hier nicht. Hier lädt die Autorin in die Köpfe ein, zeigt Gedankenwelten, die mit Gefühlwelten kollidieren. Und ich bin ganz ehrlich: Nicht jeder Gedanken wird bequem und schön sein. Dieses Buch ist so ehrlich, so real. Obwohl es ein wahnsinnig umfassendes Potpourri an Themen ist, die alle in unterschiedlicher Weise, von unterschiedlicher Intensität und vor allem mit ganz unterschiedlicher Explizität besprochen werden, ist es die Gesamtheit, die dieses Buch so rund macht. Nicht immer sind es die Worte, die wir lesen. Manchmal sind es die Bedeutungen dahinter, die nicht-gesagten Worte zwischen die Zeilen. Und hilfreich ist wahrscheinlich auch, dass die Autorin so viel Herzblut und Erfahrung in die Zeilen gelegt hat.
Zur Geschichte selbst möchte ich gar nicht so viel sagen, auch weil die eigentliche Geschichte sehr überschaubar ist. Es gibt Willa, die angehende Sozialarbeiterin ist, im Studium aber etwas hinterherhängt, Bafög-Sorgen hat, zu viel im Gemeindezentrum arbeitet und hierbei vielleicht manchmal auch – ihre eigenen – Grenzen überschreitet. Willa ist von Anfang an sympathisch, zugleich aber auch kompliziert. Sie ist facettenreich und bringt so viel Licht, aber auch jede Menge Dunkelheit mit sich. Und dann ist das Elias, der nach einen tragischen Unfall im Rollstuhl sitzt, aber so viel Lebensenergie mitbringt. Aber auch Elias ist nicht nur von Sonnenschein geprägt, er muss sich der Herausforderung stellen, wieder ins Elternhaus zurückzuziehen, sein Leben an die Beeinträchtigung anzupassen. Vielleicht hätte ich mir ein kleines bisschen mehr Rückblicke auf Elias Zeit vor Willa gewünscht, aber gleichzeitig ist Willas Geschichte schon sehr mächtig, dass es vielleicht den Rahmen gesprengt hätte. Zwischen beiden entwickelt sich langsam eine Anziehung, aber die Autorin zeigt auch, dass Liebe kein Wundermittel ist, nicht alles lösen kann und das Leben eben das Leben ist. Ich mochte die Thematiken rund um beide Figuren, die WG von Willa, Elias Arbeit als Basketballtrainer, die Ausflüge der beiden.
Aber die Magie der Geschichte liegt eben auf der emotionalen Seite, in der Gedankenwelt der Figuren. Bereits bei Belmont Bay meinte ich, dass ich vor der Autorin den Hut ziehe, wie behutsam und gefühlvoll sie das Thema häusliche Gewalt anging und dem Leser, der (im Idealfall) mit dem Thema bisher keine Berührungspunkte hatte, die Dimensionen aufzeigt. Mit diesem Buch übertrifft sie sich aber noch einmal selbst. Es geht hier nicht nur um körperliche Wunden, auch um psychische und seelische Qualen, um Ängste, um Verzweiflung. Es geht um Unverständnis aus dem Umfeld, auch das eigene Unverständnis, um Engelchen und Teufelchen auf der Schulter. Es kam mir so vor, als hätte die Autorin wirklich an alles gedacht, denn in diesem Buch ist absolut gar nichts schwarz oder weiß, sondern in vielfältigen Graustufen dargestellt. Das Buch hat mich emotional berührt, zum Nachdenken angeregt und wird am Ende auch noch ein wenig dramatisch, aber ich bin der Autorin so dankbar dafür, dass sie eben nicht den Stempel „Liebe heilt alles“ einfach draufgehauen hat. Ich werde auf jeden Fall für Band 2 zurückkommen und freue mich vom Herzen auf mehr von Justine Pust.
Mein Fazit
Wo die Sterne uns sehen ist ein beeindruckendes, wunderschön geschriebenes Buch. Es ist eine Gefühlsachterbahn aus Hoffnung und Verzweiflung, eine Liebeserklärung an den Mut und gleichzeitig so greifbar und real, dass es manchmal wehtut. Kein klassischer Romance-Roman, ganz sicher keine seichte Wohlgefühl-Geschichte, aber auf so vielen Ebenen eine Geschichte, die jeder lesen wollte.
Bewertung: ★★★★★
[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]