16.01.2020

Miranda J. Fox - Big little love

386 Seiten, erschienen als eBook, Taschenbuch und Hardcover am 05.11.2019 als Selfpublisher
 „Zuhause wartete das heißeste Mädchen der Schule auf mich, und ich fantasierte hier über einen Giftzwerg, der mir gerade mal bis zur Brust reichte. Wir passten vorne und hinten nicht zusammen. Das besagte schon die Hierarchie der High School.“
(Ian in Big little love)

Worum geht’s?

Nach einer Trennung hat Anna heftige Essattacken und zahlreiche Kilos in kurzer Zeit zugelegt. Sie ist unglücklich und fühlt sich unwohl. Die Lösung? Eine Klinik, in der sie über die Ferien nicht nur abnehmen, sondern auch gesunde Ernährung lernen soll. Anna freut sich auf den Aufenthalt, muss aber direkt am ersten Tag feststellen, dass sie jemand Bekannten vor Ort trifft: Ian, Footballstar und ihr erklärter Erzfeind. Er muss eine Strafe absitzen und deshalb beim Sportprogramm in der Klinik helfen. Schlimmer kann es für Anna nicht kommen. Ausgerechnet vor ihm soll sie abnehmen?

Big little love ist ein Einzelband und in sich abgeschlossen.


Schreibstil / Gestaltung

Das Cover ist in roten und gelben Tönen gehalten. Es wirkt sehr ansprechend, gibt jedoch wenig über den Inhalt preis. Dennoch gefällt es mir sehr gut. Die Hardcover-Version verfügt über einen abnehmbaren Schutzumschlag mit dem Cover, das Buch selbst ist matt-grau. Es verfügt zudem über ein Bandlesezeichen.

Die Geschichte wird linear aus Sicht von Anna und Ian erzählt. Beide wechseln sich als Ich-Erzählerin ab, wobei Annas Kapitel stark überwiegen. Das Buch lässt sich gut und einfach lesen, der Schreibstil ist flüssig und angenehm. Sprachlich bewegt sich das Buch auf einem guten Niveau für Jugendliche und (junge) Erwachsene. Das Buch enthält keine expliziten Sexszenen, jedoch an einigen Stellen Kraftausdrücke.

Mein Fazit

Big little love ist mein zweites Buch von der Autorin. Ich hatte bereits „Zwei Brüder plus ich gleich Chaos“ gelesen und fand das Buch ganz nett, mehr aber leider nicht. Dennoch wollte ich der Autorin eine zweite Chance geben und dachte, dass dieses Buch eine geeignete Möglichkeit darüber wäre. Zugegeben, ich hatte anfangs bereits etwas Bauchschmerzen, denn 13kg Übergewicht und Abnehmklinik? Das klang für mich doch etwas radikal. Nach den ersten positiven Rezensionen habe ich mich doch herangewagt – rückblickend keine gute Idee.

Das Buch steigt unmittelbar vor Annas Fahrt in die Abnehmklinik ein. Von ihr erzählt erfährt man, wie es ihr in letzter Zeit ergangen ist, wie sie die ganze Situation selbst einschätzt und was sie sich erhofft und erwartet. Dann ist sie auch schon in der Klinik, wo sie 8 Wochen verbringen wird, was fast das komplette Buch einnimmt. Nach einem ausführlichen Überblick über die Institution erfährt man, dass hier auch Magersüchtige und Bulimiker behandelt werden und zudem auch einige Diabetiker. Eine bunte Mischung also. Man erhält Einblicke in Annas Tagespläne, die Sporteinheiten und wie sie dich Zeit mit anderen Patienten verbringt. Und dann ist da Ian. Ian bekommt eine Sozialarbeitsstrafe, weil er aufm Schulgelände gekifft hat. Ausgerechnet er, der arrogante Footballsuperstar von Annas Schule. Und die beiden haben eine gemeinsame Vergangenheit, die bei beiden Abneigung gegenüber einander hinterlassen hat. Vor Ort laufen sich beide immer wieder über den Weg, streiten sich, necken sich, hassen sich. Aber mit der Zeit scheint es so, als wäre für Hass kein Platz mehr. Doch ist das nur eine Phase, hier in den Räumen der Abnehmklinik?

Grob genommen hat das Buch zwei Thematiken: Annas Abnehmreise und Annas Beziehung zu Ian. Das war’s eigentlich auch schon. Prinzipiell reicht mir das auch, denn beide – vor allem zusammen – kann ausreichen, um ein Buch zu füllen. Hier jedoch war das nicht der Fall. Eigentlich ist es so, dass die erste Hälfte des Buches Annas erste Zeit in der Klinik intensiv und ihre Beziehung zu Ian oberflächlich (vor allem durch Neckereien) beschreibt, die zweite Hälfte dann die restliche Zeit oberflächlich und ihre Beziehung zu Ian sowie eine kurze Zeit nach der Klinik intensiv.

Beleuchten wir zunächst Ian und Anna. Die beiden haben seit der 5. Klasse einen Zwist, der Groll hält vor allem auf Annas Seite weiter an. Es war für mich schwer nachvollziehbar, wie nach all den Jahren das noch so tief sitzen konnte, dass sie Ian direkt anfährt, obwohl er ihr nichts getan hat. Die beiden sind einander gegenüber misstrauisch, so denkt Ian, Anna würde ihn auffliegen lassen wollen und Anna glaubt, Ian würde sie vorführen wollen. So kommt es immer wieder zu Reibereien, die zumeist recht unterhaltsam zu lesen waren. Das Problem ist allerdings, dass für mich zu keiner Zeit der Sprung von Feinden zu Freunden (und zu Liebenden) nachvollziehbar war. Es war wie ein Cut, von einer auf die andere Seite war da eine Anziehung und zack, zack wird da dann mehr draus. Natürlich wartet noch das übliche Drama, was aber auch schnell weggebügelt wird. Somit vermochte die Liebesgeschichte schon einmal nicht überzeugen, denn sie hatte einfach zu wenig Substanz.

Dann wäre da also noch Annas Ausflug in die Abnehmwelt. Und da wird es schwierig. Anna hat 13kg zugenommen und hat Fressattacken. Das erzählt sie direkt zu Beginn. Der Leser erhält Einblicke in ihre Gedankenwelt aus Donuts und Zucker, gepaart mit ihrer Unzufriedenheit und depressiven Verstimmung. Sie hat merklich zugenommen, die Hosen kneifen. Aber ist sie übergewichtig? Hat sie die Unterbringung in einer Anstalt wirklich nötig? Das sind Fragen, die nie erörtert werden. Dafür aber wirkt es das ganze Buch über so, als hätte Anna 130kg zugenommen. Ernährungsberatung, 4 Stunden Sport am Tag, wöchentliches Wiegen, detaillierte Ausführungen zu ihren Essgelüsten – alles ist dabei. Und zugleich macht sie sich permanent selbst fertig. Schwabbel, fett, undiszipliniert, es ist wirklich alles dabei. Sie schämt sich vor Ian, mehr als einmal. Sie startet wahnwitzige Aktionen, um sich vor Ian nicht zu zeigen. Sie zieht regelmäßig ihr Shirt runter, damit man ihren Hüftspeck nicht sieht. Und Stück für Stück wurde ich immer fassungsloser. Man möge sich noch einmal in Erinnerung rufen, dass sie 13kg zugenommen hat, allein in der ersten Klinikwoche schon 4kg abnimmt. Selbst ich als Erwachsene habe mit der Zeit angefangen, in dieser Gedankenwelt gefangen zu sein. Habe ich den einen Tag beim Essen gelesen, ist mir doch glatt der Appetit vergangen. Doch damit leider nicht genug. Denn auch den anderen gegenüber waren Annas Gedanken mehr als schwierig. So denkt sie über ein Mitpatientin, dass sie sich falsche Hoffnungen bei Ian macht, denn mit ihrem Übergewicht sei sie nicht Ians Zielgruppe. Sie kommentiert in Gedanken das Verhalten ihrer Mitbewohnerin, die an Bulimie erkrankt ist, dass sie nicht nachvollziehen könne, wie man sein leckeres Essen erbrechen kann. Sie wundert sich über das Selbstbewusstsein ihrer übergewichtigen Freundin, die sogar enge Oberteile trägt, was sie selbst mit ihren paar Kilo zuviel ja nicht einmal machen würde. Ich habe in diesem Buch einen Haufen Zwangsgedanken gefunden, die ungefiltert und unkommentiert in den Raum geworfen wurden. Manche Leser werden damit keine Probleme haben, vielleicht noch darüber lachen. Andere hingegen, für die könnte das triggernd sein. Und das finde ich ziemlich bedenklich. Ja, Anna mag an den Anfängen einer Essstörung sein und diese gehört behandelt. Aber führt der Weg dazu in eine Abnehmklinik, wo sie ihre 13kg zu viel wieder wegtrainieren soll? Sicher nicht. Man hätte sich hier vor allem dann mehr auf den psychologischen Teil konzentrieren sollen als aufs reine Abnehmen.

Das Buch wirkt insgesamt leider recht klischeehaft und oberflächlich, zugleich gesellen sich aber mutmaßlich triggernde Inhalte dazu und es wird in einer für mich nicht ausreichend reflektierten Art mit der Thematik umgegangen. Die Charaktere sind zu keiner Zeit sympathisch, vor allem Anna teilt gegen alles und jeden aus, was mich irgendwann zur Weißglut gebracht hat. Ian bleibt blass und eindimensional, ist kein Love Interest, bei dem man mitfiebert, dass die Protagonistin ihn bekommt und macht so ziemlich alles, was man erwartet. Die Randcharaktere sind sehr stereotypisch und klischeehaft ausgestaltet, da ist die zickige Cheerleaderin als Tyrannin, der stets abwesende Vater, die prolligen Footballer und auch in der Klinik wird ein sehr unreflektiertes Bild aufgezeigt.

Es tut mir im Herzen weh, dass mich das Buch nicht überzeugen konnte. Denn ich finde die Grundthematik um das Abnehmen und das eigene Körperbild durchaus wichtig. Die Art, wie es hier umgesetzt wurde, lässt mich aber nur ratlos zurück. Mein Gegenwarts-Ich denkt an mein 15-Jähriges Ich, was beim Lesen des Buches Komplexe und negative Gedanken bekommen hätte. Und das finde ich schwierig. Mir fehlt der taktvolle Umgang mit dem Thema. Und vor allem die Langfristigkeit. Denn Anna nimmt ab, alles ist toll und wunderbar und sie kriegt ihren Traumprinzen und sowieso. Dass ihre Gedanken aber teilweise hochgradig gefährlich sind und dass mit ein bisschen Abnehmen nicht alles plötzlich gut ist, das wird hier nicht aufgezeigt. Es ist wie ein Märchen, bei dem am Ende alle glücklich sind.

Das Buch mag vielleicht unterhaltsam sein, da Ian und Anna gern einmal aneinander geraten und die Idee mit der Abnehmklinik ist für mich durchaus innovativ. Aber der Umgang mit dem ganzen Thema ist für mich einfach nur unpassend und oberflächlich. Ich konnte keine Verbindung zu den Charakteren aufbauen, die Beziehungsentwicklung war für mich nicht greifbar, es fehlte an Tiefe. Und so gehe ich enttäuscht und vielleicht auch ein Stück wütend aus dem Buch, denn ich frage mich, ob dieses Buch in den falschen Händen nicht vielleicht sogar unbewusst Schaden anrichten könnte.

 Bewertung: ★★☆☆☆

[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das mir freundlicherweise vom Vertrieb überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]