321 Seiten, erschienen als eBook im LYX Verlag am 01.02.2019 |
(Mackenzie in My missing piece)
Worum geht’s?
Schreibstil / Gestaltung
Der Schreibstil ist ganz angenehm, relativ flüssig und zum teil emotionsgeladen. Das Buch ließ sich gut über längere Zeit lesen und war sprachlich angemessen für das Highschool-Setting. Die Geschichte wird ausschließlich aus Mackenzies Sicht in der Ich-Perspektive erzählt und ist größtenteils linear.
Mein Fazit
Leider hatte ich bereits einen holprigen Start. Nachdem ich die ersten Seiten gelesen hatte, hatte ich das Gefühl, dass ich nicht durchsteige. Die Geschichte beginnt mit Mackenzie, die nachts unfreiwillig im Bett von Ryan landet, weil sie sich in der Tür geirrt hat. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich begriffen habe, wieso sie bei Ryan übernachtet und wie der zeitliche Ablauf ist, insbesondere auch auf den Hinblick ihres Verlustes. Tatsächlich habe ich kurzerhand das Buch neu angefangen und beim zweiten Versuch mehr Durchblick gehabt. So einen Start in ein Buch hatte ich bisher noch nie gehabt.
Man erfährt bereits relativ am Anfang, dass sich Mackenzies Zwillingsschwester Willow umgebracht hat und man erfährt auch sehr detailliert, wie und vor allem das Auffinden ihrer Leiche. Diese Szene hat mich emotional sehr ergriffen und mir wirklich Gänsehaut beschwert. Bei „My missing piece“ steht das Verarbeiten und das Trauern im Vordergrund, generell also sehr emotionale Themen. Tatsächlich hatte ich aber das Gefühl, dass – abgesehen von der Selbstmordszene – die Emotionen in diesem Buch nicht wirklich stark sind. Mackenzie lernt Ryan kennen, der vor einige Zeit einen Freund verlor und daher ihre Trauer etwas verstehen kann. Sie freunden sich an, Mackenzie kommt an die neue Schule und auch familiär beeinflusst der Verlust natürlich das Leben. Doch irgendwie bleibt alles relativ oberflächlich. In der Schule gibt es die standardmäßigen Rangordnungsrumhackereien, außerschulisch geht es um das Thema Verlieben und Entdecken der Sexualität – die typischen Inhalte von Young Adult Romanen. Mir war zuerst nicht ganz bewusst, dass die Geschichte genretechnisch wohl am ehsten als Young Adult einzustufen ist, da die Charaktere zwar volljährig sind, jedoch zur Highschool gehen und somit das gewohnte Highschool-Drama vorkommt. An vielen Stellen war dies für mich auch nicht nachvollziehbar und wirkte unnötig aufgebauscht.
Nach einem wirklich emotionalen Start kam lange Zeit einfach gefühlt gar nichts. Ein bisschen Drama hier, ein bisschen Streit da, ein wenig Party hier, ein bisschen Rummachen da. Zwar denkt Mackenzie durchgängig an Willow, sie erscheint ihr regelmäßig als Geist, sie redet mit Willow in ihren Gedanken, sie träumt von ihr – aber dennoch kommt für mich die komplette Trauerthematik viel zu kurz. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sich die Autorin nicht entscheiden konnte, ob sie ein Young Adult Buch schreiben möchte oder ein emotionales Drama. Und somit landet „My Missing piece“ irgendwo dazwischen und stellt aber in keiner Hinsicht eine volle Zufriedenheit her. Der Trauerprozess bleibt blass bis unbeleuchtet, das Highschool-Thema bleibt oberflächlich, Willows Beweggründe bleiben komplett offen. Auf dem Weg zum Ende wird fast schon klischeehaft abgearbeitet, was man so braucht: Das erste Mal, Familienprobleme, die Highschool-Oberzicke, nutzlose Therapiestunden, Partys, der ein oder andere Wutausbruch. Es fehlt einfach an der Tiefe.
Und nicht nur der Story mangelt es an der Tiefe, auch den Charakteren. Mackenzie wird als einzige noch einigermaßen beleuchtet, sämtliche andere Charaktere aber werden nur grob umrissen. Insbesondere bei Ryan ist es doch sehr schade. Denn er ist ab Seite 1 da und irgendwie fehlte mir das Verständnis, wieso. Denn er wirft sich immer wieder für Mackenzie in die Schusslinie, er kommt nachts zu ihr, er ist immer da – dabei bleibt er aber einfach nur eindimensional. Wer ist Ryan und was sieht er in Mackenzie? Diese Frage ist mir bis zum Schluss nicht beantwortet gewesen. Ihre Beziehung wurde mir einfach vorgesetzt und ich musste sie akzeptieren, fertig.
Ich hatte große Hoffnungen, dass das Buch nach hinten heraus Land gutmachen kann. Ich hatte gehofft, dass hier irgendwo noch eine emotionale, starke Geschichte kommt und das Verarbeiten von Trauer thematisiert wird. Denn insgesamt habe ich vereinzelt Mitleid mit Mackenzie empfunden, aber über weite Teile habe ich einfach gar nichts gespürt. Zwischenzeitlich ging mir Mackenzie sogar stark auf die Nerven. Mir ist bewusst, dass jeder Mensch anders trauert. Dennoch ist Mackenzie permanent krawallgebürstet, legt sich – entgegen ihres Charakters, aber entsprechend Willows Charakters – immer wieder mit Leuten an und katapultiert sich hiermit ungewollt zu einem der beliebtesten Mädchen der Schule. Ich denke, die Autorin wollte hiermit für Mackenzie Raum schaffen, an ihrer Schwester festzuhalten, indem sie ihr Verhalten adaptiert. Tatsächlich machte es für mich aber Mackenzie nur noch wenig greifbarer. Ich wurde von Anfang an nicht wirklich warm mit ihr und das blieb leider auch so. Gegen Ende des Buches wurden dann viele Register gezogen, um den Leser mit einem Gefühl von „für Mackenzie wird alles gut“ zu entlassen. Das wirkte phasenweise etwas überzogen, phasenweise passte es aber auch gut ins Gesamtbild des Buches. Das Buch endet mit einer erschreckenden Erkenntnis, die für mich nicht ganz so überraschend kam, sich aber hervorragend in das Buch einfügt und mich ein wenig versöhnlicher gestimmt hat, andererseits aber mehr als ein Fragezeichen hinterlässt.
Insgesamt ist „My missing piece“ für mich ein netter Young Adult Roman, der aber leider nicht rund ist und dem die Tiefe und das Gefühl fehlt, um mich emotional so richtig mitzunehmen. Das Potenzial wäre auf jeden Fall da.
+++ es folgen im Weiteren mögliche Spoiler +++
Inhaltlich gab es auch einige Szenen, die für mich nicht gepasst haben. Insbesondere fand ich dabei eine Szene befremdlich, in der Mackenzie nach Hause kommt, ihre Mutter weg ist, ihr Vater nicht da ist und sie allein ist. Nachts trifft sie auf ihren Vater, der seine Sachen packt und nach fremden Parfüm riecht. Mackenzie kombiniert, dass er fremdgeht und auszieht. Damit konfrontiert bestätigt der Vater tatsächlich, dass er zu einer Kollegin zieht und die Familie verlässt. Einige zig Seiten später stellt sich aber heraus, dass sie keine Affäre ist und er nur temporär zu ihr zog wegen eines Projektes, sich die Eltern aber dennoch trennen wollen. Mackenzie macht ihren Standpunkt hierzu klar und dann zieht ihr Vater doch wieder zurück. Zunächst fand ich es komplett verwerfbar, dass ihr Vater in der bestehenden Krisensituation nicht die Notwendigkeit sieht, seiner Tochter die tatsächliche Situation zu schildern, sondern einfach ihrem Affärevorwurf zustimmt. Aber auch die Auflösung der Situation und das Zurückziehen des Vaters wirkte zu schnell, zu perfekt, zu gekünstelt. Was auf mich auch kurios wirkte, war die permanente Ansage der Mutter an die immerhin volljährige Mackenzie, dass sie keinen Sex haben soll. Mackenzie trinkt, schwänzt die Schule, schleicht sich nachts heraus – aber die einzige Sorge ist, sie soll kein Sex haben. Das wirkte alles etwas inkonsequent und deplatziert.
Bewertung: ★★★☆☆
[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, dass mir freundlicherweise von Netgalley und dem Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]