03.10.2020

Marisa Kanter - What I like about you

480 Seiten, erschienen als eBook und broschierte Ausgabe im ONE-Verlag am 30.09.2020
„Für ihn ist das ein Dreieck. Aber ich weiß, dass es nur eine gerade Linie ist. Es war immer eine Linie.“

(Halle in What I like about you)

Worum geht’s?

Halle ist ein zurückhaltendes Mädchen, dessen Leben vor allem daraus bestand, regelmäßig von A nach B zu ziehen. Durch ihre Eltern, die als Dokumentarfilmer die Welt bereisen, war sie nie lange an einem Ort und hat nie viele soziale Kontakte gehabt. Doch in der Onlinewelt ist das anders. Als Kels ist sie eine gefeierte Jugendbuchbloggerin, die mit ihren kreativen Cupcake-Fotos eine große Followerschaft aufgebaut hat. Hier hat sie Freunde. Und sie hat Nash, ihren besten Freund. Als wieder einmal ein Umzug ansteht, verschlägt es Halle ausgerechnet an dem einen Ort, wo der wahre Nash lebt. Und auf einmal wird das Leben als Halle und ihre geheime Identität als Kels mehr als durcheinandergewirbelt. Denn Nash versteht nicht, wieso die neue Halle ihm die kalte Schulter zeigt… Gehört Nash Halle oder Kels?

What I like about you ist ein in sich geschlossener Einzelband.

Schreibstil / Gestaltung

Das Cover des Buches ist in blau gehalten und mit einigen Illustrationen, die zum Buch passen, gestaltet. Es ist ein niedliches, ansprechendes Cover, was bereits leichte Hinweise auf die Story gibt. Das Buch verläuft linear und wird ausschließlich durch Halle aus der Ich-Perspektive erzählt. Zwischendurch gibt es zudem zahlreiche Nachrichtenverläufe, Emails, Tweets und private Nachrichten, die in die Handlung eingebaut wurden. Der Schreibstil ist sehr locker und angenehm zu lesen, auf jeden Fall für Jung und Alt gleichermaßen geeignet und für ein Jugendbuch sehr passend. Das Buch enthält keine erotischen Inhalte und ist auch frei von Kraftausdrücken.

Meine Meinung

Ein Jugendbuch über eine Buchbloggerin und eine komplizierte Online-Offline-Beziehung? Traumhafter geht es kaum. Als ich das erste Mal das Buch in der Vorschau sah, wusste ich, dass ich es lesen möchte. Denn gerade soziale Medien (und ihre Schattenseiten) sind ein aktuelles Thema, was ich gern öfter in Büchern sehen würde und das auch noch kombiniert mit dem Blick in den Kopf einer Buchbloggerin? Perfekt. Ganz so perfekt war das Buch letztendlich dann aber doch nicht.

Die Geschichte startet mit Halles Umzug zu ihrem Großvater. Da die Großmutter vor einiger Zeit verstarb und die Eltern wieder ins Ausland zu einem Dreh möchten, sollen Halle und ihr Bruder Ollie beim Großvater bleiben. Neuer Ort, neue Schule, neue Leute. Für Halle nicht gerade Sachen ,die ihr die größte Freude bringen. Dafür liebt Halle aber Cupcakes und Bücher, beide Sachen, die sie mit ihrer Oma immer gemacht hat. Und beides Sachen, die Halle online berühmt gemacht haben: Als Buchbloggerin Kels führt sie One True Pastry und verzaubert mit Buchrezensionen und zu den Covern passenden Cupcakes die Leser. Online kann Halle jemand sein, der sie im wahren Leben nicht ist. Online hat sie Freunde, die trotz aller Umzüge an ihrer Seite sind. Nash ist ist bester (Online-) Freund und beide schmieden schon länger Pläne, wie sie gemeinsam an die Uni gehen. Doch als Halle ihren neuen Wohnort erkundet, trifft sie auf niemand geringeren als Nash. Reallife-Nash und Online-Nash verbinden sich für sie. Und auf einmal steht Halle im Mittelpunkt einer Scharade, die sie nie führen wollte. Aber Nash scheint in Kels verliebt zu sein und Halle ist nun einmal nicht Kels, nicht wahr? Das Chaos nimmt seinen Lauf…

Ich möchte meine Bewertung damit einleiten, etwas aufzugreifen, was im Buch thematisiert wurde. What I like about you ist ein Jugendbuch, die Charaktere sind jugendlich, handeln jugendlich. Ich selbst bin nicht mehr jugendlich. Die Autorin (oder auch Kels) greifen das Thema auf, inwiefern Erwachsene Bücher bewerten können, die nicht für sie als Zielgruppe geschrieben sind bzw. ob Bücher festgelegte Zielgruppen haben. Ich selbst lese – trotz meines Alters, was der doppelten „ab x Jahren“-Leseempfehlung entspricht – sehr gern Jugendbücher, weil sie leichtfüßiger und etwas unschuldiger sind. Mir ist daher von Anfang auch immer klar, dass die Verhaltensweisen in den Büchern manchmal kindlich oder naiv wirken können, nicht jeder Gedankengang von viel Weitsicht geprägt sein muss und auch, dass die Bücher sehr vorhersehbar sein können. Das ändert aber nicht daran, dass ich sie nicht genießen kann. Dennoch tat es kurzzeitig weh, als das Thema im Buch vorkam und es macht es auch schwer, sich zu fragen, wie gerechtfertigt eine Rezension ist, die ich zu dem Buch jetzt schreibe. Versuchen werde ich es aber dennoch.

Der Einstieg in das Buch fiel mir leicht und schwer zugleich. Man ist schnell in der Geschichte drin und findet sich auch zeitnah in den Strukturen und Gedanken von Halle zurecht. Durch zahlreiche Einbindungen von Nachrichten aus sozialen Medien, Tweets und Mails ist es, als würde man an Kels Leben direkt teilnehmen. Das hat mir sehr gut gefallen. Es hat etwas gedauert, bis sich die Grundgeschichte mit dem Umzug zum Großvater entwickelt hat und das „zugrundeliegende Problem“ erkennbar wurde. Leider hatte ich so eine Zeit lang das Gefühl, dass die Geschichte nicht wirklich in Fahrt kommt. Zwar ist sie angenehm zu lesen, aber sie plätschert etwas dahin und es gibt hier ein bisschen, da ein bisschen – aber es wirkte teilweise nicht so ganz verbunden. Langsam besserte sich dies und etwa bei der Hälfte des Buches war ich dann auch komplett in der Geschichte, habe mitgefiebert, meine Gedanken weitergesponnen, gehofft und gebangt. Die Geschichte sorgte in meinen Augen für wenig Überraschungen, was nicht schlimm war, da sie dennoch überzeugen kann, auch weil man sich fragt, wie das mehr als offensichtliche Problem gelöst werden soll und wie der Knall kommen wird. Man wusste, was unweigerlich kommen wird, und man war gespannt darauf, wie es passiert. Daher war das mit der Vorhersehbarkeit kein Problem. Was für mich problematischer war und mich von Anfang an etwas gestört hat: Halle/Kels. Beide Persona von Halle haben mich nicht gerade mit ihrer sympathischen Art abholen können. Es lässt sich schwer erklären, wieso eigentlich. Aber Halle war sehr schwankend in ihrer Stimmung und Meinung, ihre permanente „ich kann nicht mit Menschen“ und „ich weiß nicht, wie Freundschaften gehen, das weiß nur Kels“-Haltung fand ich etwas befremdlich. Klar, es sollte den mutmaßlichen Kontrast zwischen Kels und Halle darstellen, doch es wirkte manchmal übertrieben, manchmal unpassend und manchmal einfach unangenehm. Kels konnte leider mit ihrer stärkeren Persönlichkeit auch nicht überzeugen. Ich würde sogar fast sagen, dass Kels mir manchmal etwas arrogant vorkam. Und somit hatte Halle/Kels von Anfang an ein Problem, mein Herz zu erreichen. Ich konnte zwar sowohl Kels als auch Halles Probleme verstehen, aber manchmal nicht begreifen. Immer weiter verstrickt sich Halle in dem Haufen ihrer Lügen und wundert sich am Ende dann fast schon, als sie in ihren Lügen ertrinkt. Dennoch hat mich die Geschichte durchaus abholen können, da ich die Idee dahinter sehr niedlich fand und man eben doch mitfiebern konnte, auch wenn Halle nicht mein Fall war. Der Unterschied zwischen Schein und Sein ist in unserer heutigen Gesellschaft durch die sozialen Netzwerke noch größer geworden. Es ist einfach, mit ein paar Klicks ein Profil zu erstellen. Man kann selbst entscheiden, wer sein Online-Alias sein soll, denn niemand kann es kontrollieren. Mit einer ähnlichen Idee spielt das Buch. Halle hat sich entschieden, online Kels zu sein. Sie hat ihr eigenes Leben etwas modifiziert (etwa die Geschichte ihrer Eltern) und ist somit so gesehen ein kleines Internetphantom. Doch auf Basis dessen baut sie Freundschaften auf, die denken, dass es Kels in dieser Form mit dieser Geschichte gibt. Durch das Aufeinandertreffen von Nash und Halle gerät dieses Konstrukt ins Wanken. Halle muss sich künftig fragen, was Nash Kels und was er Halle erzählt hat, wieso er Halle andere Sachen erzählt als Kels und auch, wieso es ihr so schwer fällt, ihre Identität zu lüften. Liegt es daran, weil sie Angst hat, dass ihr wahrer Name die Verbindung zur Großmutter offenbart und die Leute sie nicht mehr daran messen, was sie leistet? Oder hat sie Angst davor, dass Halle langweiliger ist als Kels? Denn online ist Halle mutiger, verwegener, sie hat eine Stimme und ist nicht unsicher. Somit spielt das Buch in vielen Nebenpunkten auf wichtige Themen (und Gefahren) des Internets an. Wie viel Anonymität sollte man online haben, wie gefährlich ist es, wenn Reallife und Onlinelife sich vermischen und wie viel Schaden kann man anrichten, wenn man online jemand anderes ist? Die Thematik um Halle, die Nash nicht sagen will, dass sie Kels ist und sogar noch länger mit ihm weiterschreibt – teilweise über sich selbst als Halle – hat bei mir sofort die Verbindung mit dem Wort Catfishing hervorgerufen. Leider wird dieser ganze Komplex nur etwas angeschnitten und am Ende mit den Konsequenzen, die das Auffliegen dieser Lüge hat, vergeht auch sehr fix. Gerade für ein Jugendbuch hätte man hier vielleicht etwas sensibler und vielschichtiger vorgehen können. Dennoch finde ich es ein gutes Thema, was die Autorin gut umgesetzt hat.

Ebenfalls ein präsentes und doch eher ungewöhnliches Thema war die Beleuchtung der Buchwelt aus Bloggersicht. Ich fand, dass die Autorin spannende Einblicke in Kels Arbeit gegeben hat, die Onlinedynamiken und Probleme der Meinungsbildung gut einfangen konnte. Mit der Thematik um die Großmutter, die bekannte Lektorin war, und Halles Willen, sich ohne den Familiennachnamen zu beweisen, gab es noch mehr starke Aspekte. Verlagswesen, die Arbeit in der Buchwelt – das sind Themen, die öfter mal in Büchern vorkommen. Aber hier ging es um mehr und indirekt auch um die Macht von Bloggern, Rezensionen und einer vernetzten Leserschaft. Es geht um die Arbeit hinter Fotos, um Community-Pflege und zugleich auch darum, wie es sein kann, wenn man in der Gunst der Follower fällt, die Leute das persönliche Leben beäugen und man die Erwartungshaltung der Follower bedienen muss. Gern hätte ich hier sogar noch mehr Szenen gehabt.

Leider hinkt dafür die Lovestory hin und wieder etwas. Das liegt einmal daran, dass nur Halle erzählt und die Einblicke in Nashs Kopf fehlen. Liebt er Kels, liebt er Halle, liebt er beide? Was ist Schwärmerei, was nicht? Manchmal verwischen die Grenzen sehr. Auch Halle hat es mir diesbezüglich nicht immer einfach gemacht, denn Online-Nash ist ihr bester Freund (über den sie sogar sagt, man kann sich online nicht verlieben), Offline-Nash hingegen wird schnell ihr Love Interest, aber sie stößt ihn immer wieder von sich, weil er Kels gehört. Das fand ich manchmal verwirrend und ehrlich gesagt nicht sonderlich nachvollziehbar. Ab der Hälfte des Buches hatte mich dieses Liebesdreieck, was gar keins ist, aber voll gepackt und ich habe wirklich mitgefiebert. Je komplizierter es wurde, je mehr Stolpersteine kamen, desto gespannter war ich, wie es gelöst werden soll. Auch hier gilt dann jedoch, dass nach dem zu erwartenden großen Knall sehr schnell die Luft raus ist und die Autorin für meinen Geschmack etwas zu schnell alles geklärt hat. Gerade dadurch, dass eigentlich die Frage des Fakens und der Konsequenzen von zentraler Bedeutung sein dürfte, wurde hier etwas zu perfekt drübergebügelt. Das empfand ich vor allem auch dadurch, dass nur die Problematik um Kels ein Thema war, jedoch gar nicht angesprochen wurde, dass auch Nash sich beim großen Knall in meinen Augen verwerflich verhalten hat. In jedem anderen Buch wäre diese Lüge ein Thema geworden, hier ging es aber durch die überwiegende Lüge von Halle unter. Das war etwas schade und vermittelt vielleicht auch ein falsches Bild.

Abschließend möchte ich noch zu den Charakteren etwas sagen. Zu Halle habe ich ja bereits einiges gesagt, im Buch gibt es zudem neben Nash noch einige weitere Charaktere. Diese empfand ich oftmals als etwas stereotypisch und platt, die haben vor allem gewisse Funktionen und das merkt man auch. Dennoch konnte mich vor allem Nash und seine Clique mit ihrer liebevollen, offenen Art sehr begeistern. Auch Halles Bruder, der jünger ist und dennoch meist reifer als seine Schwester wirkt, war eine angenehme Erfrischung. Der Großvater, der langsam seine Trauer verarbeiten muss, und durch verschiedene Interaktionen mit Halle seinen Prozess aufzeigt, hat mir ebenfalls gut gefallen. Gern hätte ich noch mehr über Halles Onlinefreundinnen erfahren, die immer wieder kurzzeitig vorkamen und ebenfalls sehr sympathisch wirkten. Dadurch, dass das Buch aber lediglich auf Halles Sicht basiert, zentriert sich leider alles auch etwas auf sie und hier und da gehen die anderen Charaktere unter. Das empfand ich vor allem bei Nash oftmals so.

Mein Fazit

Insgesamt muss ich sagen, dass What I Like about you ein süßes Buch war, was mit einer guten Grundidee durchaus überzeugen konnte und für mich thematisch auch mal etwas anderes war. In der Umsetzung gab es für mich einige kleine Hürden, die mehr oder weniger gut genommen wurden, was nicht zuletzt auch daran lag, dass ich mit Halle/Kels wenig warm geworden bin. Vor allem die Thematik um die „falsche“ Onlineidentität hätte ich gern noch mehr beleuchtet gehabt. Dennoch ein Buch, was für angenehme Lesestunden sorgt.

Bewertung: ★★★★

[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]