31.10.2020

Daniela Hartig - Fuck you love (Storm & Floyd 1)

404 Seiten, erschienen als eBook und broschierte Ausgabe im Federherz-Verlag
 „Auch der Schimmel macht dich nicht zum Prinzen, Floyd. Und schon gar nicht zu meinem. Auch wenn du das gerne hättest.“
(Storm zu Floyd in F*ck you love)


Worum geht’s?

Seit Tagen wird Floyd von einem Mädchen verfolgt. Die schöne Unbekannte hat noch eine Rechnung mit ihm offen, denn sie ist sich sicher: Floyd hat sie vor vier Wochen auf einer Party bei ihm vergewaltigt. Floyd kann sich jedoch nicht dran erinnern, auch wenn vereinzelte Flashbacks sein Gewissen quälen. Doch irgendwas an dem Mädchen fasziniert ihn und so sucht er den Kontakt zu ihr. Ihr Name ist Storm und Floyd kann noch nicht ahnen, dass sie wie ein Wirbelsturm durch sein Leben ziehen wird…

Dieses Buch ist Band 1 einer Trilogie. Das Buch ist nicht in sich geschlossen und wird in Band 2 fortgesetzt.

Schreibstil / Gestaltung

Das Cover des Buches ist in weiß mit verschiedenen Blumen in Rot und Rosa gehalten. Es wirkt verspielt und unschuldig, erregt Aufsehen und gibt den Eindruck einer romantischen Geschichte. Das Buch wird ausschließlich aus der Ich-Perspektive von Floyd erzählt. Zwischendurch gibt es vereinzelte Flashbacks auf die Party, diese sind jedoch ausgewiesen. Hiervon abgesehen verläuft das Buch linear. Der Schreibstil ist sehr locker, es wird häufig geflucht und es kommen zudem potenziell triggernde Inhalte vor. Es ist sprachlich für (junge) Erwachsene angemessen.

Meine Meinung

Schon seit längerer Zeit steht das Buch auf meiner Lesewunschliste und anlässlich der Neuauflage kam nun endlich die Chance, das Buch zu lesen. Es ist mein erstes Werk der Autorin und vor allem die kompliziert klingende Grundidee, dass die Protagonisten eventuell durch eine Vergewaltigung miteinander verbunden sind, hat mich sehr gereizt.

In das Buch habe ich sehr schnell reingefunden. Die Geschichte beginnt mit Floyd, der feststellt, dass seit einigen Wochen eine Unbekannte unten auf der Straße wartet und ihn beobachtet. Er kennt sie und er weiß, was sie will. Bei einer Partynacht vor 4 Wochen soll er sie vergewaltigt haben. Er weiß es allerdings nicht und trotz bruchstückenhafter Flashbacks kann er sich keinen Reim aus der Situation machen. Immer wieder laufen sich Floyd und die Unbekannte über den Weg und es entwickelt sich bald eine kurios anmutende Art der Verbindung. Floyd ist von dem untypischen Mädchen mit den langen schwarzen Haaren, die sich bald als Storm vorstellt, fasziniert. Und auch Storm sucht immer wieder seine Gegenwart, obwohl sie ihn zutiefst verabscheut. Bald fangen beide sogar an, Zeit miteinander zu verbringen, man könnte fast meinen, sie daten sich. Doch es ist weitaus komplizierter. Aber eine Sache weiß Floyd: In ihrer Gegenwart fühlt er sich besser, seine Alpträume und Flashbacks verschwinden. Die neugewonnene zarte Verbindung wird aber immer wieder auf die Probe gestellt: Von Vorurteilen Dritter, von Storms Dunkelheit – und der ewigen Fragen, was wirklich in der Partynacht passiert ist…

Kompliziert. Mitreißend. Ergreifend. Zerstörerisch. Verwirrend. Sprunghaft. Verletzlich. Hoffnungsvoll. Fesselnd. Ach, habe ich schon kompliziert erwähnt? Für dieses Buch fallen mir sehr viele Attribute ein, mit denen ich es labeln würde. Und zugleich scheint doch keines davon zu passen. Als ich anfing, das Buch zu lesen, habe ich keine Vorstellung gehabt, was mich erwarten wird. Ich wusste, dass es keine locker-seichte Liebesgeschichte wird. Aber eine derartige Achterbahnfahrt mit zahlreichen Gefühlsschleudertraumata war jetzt auch nicht gerade das, was ich in dem Buch zu suchen gewagt hätte. Dieses Buch ist keine Geschichte, die man mal eben so nebenbei liest. Es ist eine sehr komplexe, facettenreiche Geschichte zweier junger Leute, die durch eine schicksalsbehaftete Nacht miteinander verbunden sind und nicht wissen, ob sie einander vertrauen können oder was sie voneinander halten können. Und ähnlich geht’s auch dem Leser. Wer ist Storm, wieso sucht sie Floyds Gegenwart, was ist in der Nacht passiert und wieso entwickelt Floyd so ein Interesse für Storm? Doch schon bald geht es weiter über das Thema der Nacht hinaus. Floyd und Storm entwickeln eine komplizierte, vermutlich auch nicht ganz gesunde Beziehung zueinander, die teils von großem Vertrauen und teils von einigem Misstrauen geprägt wird. Beide haben in ihrem Leben schon viel erlebt, beide haben ihre ganz eigenen Päckchen zu tragen. In diesem Buch geht es um mehr als nur den reichen Snobtypen, der auf die komplett gegensätzliche Storm trifft. Es ist ein schmerzhaftes Buch, was sich von Seite zu Seite immer tiefer ins Herz schneidet. Immer wieder gibt es kleine Lichtblicke, Hoffnungsträger und schöne Momente, die von viel Zerstörung, Schmerz und Verzweiflung abgelöst werden. Nicht immer sind hierbei die Motive, die Gedanken und Gefühle der Beteiligten klar, offensichtlich und greifbar. Aber das müssen sie auch nicht immer sein. Storm und Floyd sind besonders. Das mag sich auch im Schreibstil widerspiegeln. Dieses Buch ist kein Jugendbuch und hat auch nicht den Anspruch, eines zu sein. Es wird geflucht, beleidigt und es kommen auch Inhalte vor, die mit Bedacht zu genießen sind. Aber alles zusammen ergibt ein rundes Bild von zwei außerordentlich speziellen Charakteren.

Auf der einen Seite steht Floyd, der auch als alleiniger Erzähler durch die Geschichte führt. Das bewirkt zudem, dass Storm ein großes Mysterium bleibt. Floyd kommt aus einer reichen Familie, bei der der Vater mit ständiger Abwesenheit glänzt und die Mutter mit ihrem Vornamen angesprochen werde möchte, damit sie sich nicht so alt fühlt. Floyd hat alles: das gute Aussehen, viel Geld, ein schnelles Auto. Nur an einer Zukunftsvision fehlt es ihm. Floyd zeichnet sich vor allem auch dadurch aus, dass er ständig gegen seinen Vater rebelliert, wobei recht schnell klar ist, dass es seine Art der Vergeltung und der Aufmerksamkeitssuche ist, denn zu tief sitzt die Zurückweisung. Floyd feiert viel, hat viele Mädchen, aber betrinkt sich so gut wie nie. Anfangs empfand ich ihn als anstrengend und unsympathisch, einen Typen zum Von-der-Bettkante-Stoßen. Doch schnell schlich er sich in mein Herz und zeigte, wie fürsorglich und beschützerisch er sein kann. Er ist manchmal impulsiv und das bringt ihn öfter in Schwierigkeiten. Aber er ist sehr bemüht und schon bald ist Storm für ihn so wichtig geworden, dass ihn die Angst, sie zu verlieren, zerstören könnte. Floyd macht im Laufe des Buches auch einige Entwicklungen durch, er beginnt über sich selbst und seine Lebensweise nachzudenken, über die Werte seine Erziehung und die Einstellung, die bedingt durch sein Umfeld und das Geld in seinem Kopf schlummert, in Frage zu stellen. Sein Umfeld ist nicht viel präsent, auch durch die viele Abwesenheit seiner Eltern. Dafür spielt sein bester Freund Ben in der Geschichte eine entscheidende Rolle. Er ist schwer einzuschätzen und sorgt immer wieder für Ärger, was oft auch die Grenzen verschwimmen lässt und zu Fragen beim Leser führt, wer hier gut und wer böse ist. Doch so wie man auch die Geschichte nicht labeln kann, kann man auch die Charaktere nicht labeln. Sie sind zu vielschichtig dafür. Allen voran Storm…

Storm ist eine Wucht. Ich kann mich nicht erinnern, dass mir jemals eine Protagonistin wie sie untergekommen ist. Sie ist für mich ein absolutes Chamäleon und zugleich eine Wunderkiste. Bis zur letzten Seite bleibt sie für mich ein unlösbares Rätsel und verdammt, das hat mir gut gefallen. Storm ist ein wahnsinnig starker Charakter, der manchmal auch sehr eigenwillig handelt. Sie ist laut, sie ist rücksichtslos und energiegeladen. Doch zugleich ist sie empathisch, ehrlich und bringt ein beeindruckendes Feingefühl mit. Ihr Leben ist ein regelrechter Trümmerhaufen, aus dem sie das Beste macht. Die Mutter verstarb früh, der Vater ist dem Alkohol verfallen und nicht selten muss Storm hier drunter leiden. Dann versucht sie zu fliehen, zu vergessen und auch sich zu betäuben. Schnell wird klar, dass hier mehr verborgen liegt und auch, wenn es nicht genau definiert wird, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie mindestens depressiv, wenn nicht sogar bipolar ist. Ihre sehr schwankende Stimmung, ihre Sprunghaftigkeit aber auch die über ihr schwebende Dunkelheit tun beim Lesen teilweise wirklich weh, denn unter dem rauen Charakter steckt eine zerbrechliche Person, die es verdient, geliebt zu werden. Storm ist sehr anpassungsfähig, was sich im Buch mehrfach zeigt, sie ist gut dadrin, ihre wahren Motive und Gedanken zu überspielen. Aber Floyd gelingt es teilweise, hinter die Fassade zu schauen. Storm überrascht häufig mit ihren Taten, etwa wenn sie Floyd öffentlich vorführt oder sich sozial engagiert und dabei ihre herzliche Seite zeigt. Ich würde sie als unberechenbar betiteln, was zu vielen Überraschungen führt. Da Storm in der Geschichte nur durch Floyds Augen gezeigt wird, bleibt sie so geheimnisvoll und man möchte mehr über sie und ihre Gedanken erfahren. Ein wahnsinnig starker, eindrucksvoller Charakter, der aber auch viele kaputte Aspekte vereint und für den man sich Hilfe wünscht.

Die Liebesgeschichte ist eine sehr komplizierte und auf wackligen Beinen stehende Geschichte. Sie zeichnet sich vor allem durch ein stets Auf und Ab, ein Hin und Her, ein Heranziehen und Abstoßen aus. Treibende Kraft der Zurückweisung ist hierbei vor allem Storm, die gelegentlich an Floyds Absichten zweifelt und von ihren eigenen Gefühlen überfordert zu sein scheint. Aber auch ihre psychische Verfassung macht es ihn nicht immer leicht und so scheint es ihr einfacher, Floyd zu vertreiben als ihm ihre verletzliche Seite zu zeigen. Bedenkt man, dass Auslöser der ganzen Konstellation eine im Raum stehende Vergewaltigung ist, so merkt man, wie fragil die Beziehung ist. Immer wieder gibt es Szenen, bei denen man sich fragt, ob es gut ist, dass beide miteinander Zeit verbringen. Vor allem Storm ist geübt darin, mit ihrer sprunghaften Art gelegentlich einen Keil zwischen sich und Floyd zu treiben. Floyd und Storm sind ein Liebespaar, was den Leser an die Grenzen bringen wird, nicht nur mit ihren sprunghaften, überraschenden und nicht immer nachvollziehbaren Entscheidungen. Aber zugleich sind es auch diese Aspekte, die die Geschichte so mitreißend, undurchsichtig und unvorhersehbar machen. Stets hängt die Nacht, an die sich beide nicht wirklich erinnern, wie ein Damoklesschwert über ihnen. Hierbei hat mir aber auch gut gefallen, dass die Vergewaltigung kein Dauerthema war. Immer wieder wird sie zwar angesprochen und vor allem Storm lockt Floyd immer wieder aus der Reserve, indem sie das Thema anspricht, dennoch ist sie nicht das Hauptthema.

Wirklich überrascht hat mich das Ende. Nachdem das Buch auch zwischendurch immer wieder mit Wendungen, Ereignissen, ruhigen Phasen und einigen Konflikten überzeugen kann, ist es das Finale, mit dem ich nicht gerechnet hätte und dass einen ratlos und rastlos zurücklässt. Es ist kein klassischer Cliffhanger und zugleich ein wahnsinnig machender Aufhänger, der unglaublich viele Fragezeichen offenlässt. Es zeigt aber auch, dass dieses Buch eben kein typisches Buch mit einem standardmäßigen Verlauf voller Friede, Freude, Eierkuchen ist. Nein, das ist dieses Buch – vermutlich die ganze Reihe – auf keinen Fall. Vielleicht konnte mich das Buch daher vielleicht auch so begeistern.

Ich hatte bereits erwähnt, dass in dem Buch viele triggernde Elemente vereint werden. So spielt neben der Vergewaltigung vor allem auch Storms psychische Verfassung eine sehr große Rolle, ebenso wie häusliche Gewalt und suizidale Gedanken. Es ist ein sehr intensiver Mix, bei dem jeder Leser von Anfang an sicher sein sollte, dass er sich auf diese Reise begeben möchte. Dieses Buch ist kein wunderschönes Märchen vom edlen Prinzen, der die gefallene Prinzessin retten möchte. Das hat Storm auch gar nicht nötig. Aber dennoch können sich Floyd und Storm gegenseitig viel Halt geben – aber eben auch viel verletzen.

Mein Fazit

Dieses Buch ist eine kraftvolle Geschichte voller Überraschungen, die mit den typischen Elementen des Genres spielt und auch einige Grenzen ausreizt und gern auch mal überschreitet. Floyd und Storm haben eine komplizierte, mitreißende Geschichte, in der man sich verlieren kann. Ungewöhnliche Charaktere, unvorhersehbare Entscheidungen und jede Menge Tiefe. Ein Buch, was ich so schnell sicher nicht vergessen werde. Band 2, ich komme!

Bewertung: ★★★★★


[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]