07.07.2020

Sonja Rüther - Der Bodyguard

368 Seiten, erschienen als Taschenbuch im Knaur-Verlag am 04.05.2020
 „Alter, ich werde mir so was von dir Finger an ihr verbrennen.“
(Maik über Lynn in Der Bodyguard)

Worum geht’s?

Eigentlich ist es Maiks Job nur, Leute zu beschützen. Als Bodyguard ist er gerade frisch ins Team um die Familie van Holland gekommen, als er seinen ersten Auftrag erhält: Er soll Lynn nach Hause fahren. Die junge Frau geht ihm schnell unter die Haut – und ins Herz. Um keinen Preis soll er sich in Lynn verlieben und dennoch passiert es. Bis Lynn plötzlich auf brutale Weise vor seinen Augen entführt wird. Ein gefährlicher Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Kann Maik Lynn retten oder muss er dabei zusehen, wie die Liebe seines Lebens stirbt?

Der Bodyguard ist ein Einzelband und in sich geschlossen.



Schreibstil / Gestaltung

Das Cover ist wieder relativ schlicht und zeigt einen durchtrainierten Mann im Anzug, der offenbar gerade im Lauf ist. Das Cover passt zum Buch und zum Titel, ist jedoch nicht geraden ein Eyecatcher. Die Geschichte verläuft in linearer Erzählweise und wird durch einen personalen Erzähler in der dritten Form erzählt. Hierdurch gibt es zwar Einblicke in die Gedanken der Beteiligten, es führt teilweise aber auch zu Verwirrung darüber, wer im Fokus der Erzählung steht. Der Schreibstil ist verständlich, leicht lesbar und es entsteht ein guter Lesefluss. Die Autorin verzichtet auf komplizierte Stilmittel oder überlange Schachtelsätze. Das Buch enthält keine Sexszenen, Gewalt wird angedeutet.

Mein Fazit

Nach sehr langer Thriller-Abstinenz (ich habe mich regelrecht im Dschungel der Romance-Literatur verlaufen), bin ich zurückgekehrt. Ein heißer Bodyguard, der sich aufopferungsvoll für seine große Liebe in Gefahr begibt? Oh, vielleicht habe ich das Romance-Genre doch nicht verlassen – Romance-Thrill? Thriller mit Liebesgeschichte? Was genau erwartet mich hier? Laut Cover ein Thriller, doch das wird dem Buch nicht ganz gerecht. Es ist aber auch kein Liebesroman. Was es aber auf jeden Fall für mich ist: Zum Teil eine ziemliche Enttäuschung. Fangen wir von vorne an…

Der Einstieg in das Buch gelang mir lange Zeit nicht wirklich. Es geht direkt los, dass wir Maik bei einem seiner Einsätze begleiten dürfen, der ihn unmittelbar zu Lynn führt – und in eine kompromittierende Situation. Was bereits etwas wirr und (gewollt?) komisch beginnt, nimmt einen raschen Lauf – irgendwie verstehen sich Lynn und Maik nämlich verdammt gut und deswegen besteht sie auch direkt darauf, dass er für einen gewisse Zeit ihren erkrankten Bodyguard ersetzen soll. Lynn, eine junge Dame mit viel Geld und einem starken Selbstbewusstsein, fordert Maik immer wieder hinaus. Und so verliebt er sich sehr rasch und Hals über Kopf in sie. Keine gute Idee? Absolut nicht. Aber Lynn erwidert seine Gefühle. Und so vergeht das erste Drittel des Buches eigentlich im Zeichen der Liebe – oder Anziehung. Immerhin kennen sie beiden sich nur wenige Stunden und verbringen nur wenige Tage miteinander. Genervt, andauernd am Augenrollen und zunehmend peinlich berührt war ich von Maik. Denn Maik ist unglaublich anstrengend. Er ist ach so cool, braucht keine Waffen, hat keine Militärausbildung und verlässt sich lieber auf seinen Verstand. Er macht den Job, um Kohle zu verdienen, nicht weil er so gern auf Leute aufpasst – zugleich ist Maik aber der wahrgewordene „ich muss alle Frauen der Welt retten“-Traum. Jede Frau ist so schutzbedürftig, Maik ist sofort zur Stelle. Dass ihm dieses Verhalten dann aber auch mal auf die Füße fällt, sieht man hier immer mal wieder. Hinzu kommt, dass Besserwisser Maik von Anfang an alles und jede verurteilt- Lynn, seine Kollegen, die van Hollands. Zu jedem hat er eine abwertende Meinung. Unfreiwillig komisch, unglaublich unsympathisch.

Lynn, die immer wieder ihre Grenzen austestet, nach einem traumatischen Erlebnis nach dem Leben sucht und damit ihren Personenschutz in den Wahnsinn treibt, erwidert zum Glück ja Maiks Gefühle. Er ist der, der sie verstehen könnte. Gefangen zwischen Erwartungen der van Hollands, dem Image als reiche Frau und tief drinnen verletzt von ihrem Erlebten. Auf jeden Fall weckt sie sein Bedürfnis, sie beschützen zu müssen – wie alle Frauen. So hilft Maik einer wildfremden Frau in einer Bar, verprügelt den Lover, bringt sie nach Hause und lässt sie später sogar auf seinem Sofa und bei seinen Freunden wohnen. Der Retter in der Not. Aber nein, vielleicht auch nicht. Wieso? Das verrate ich nicht. Aber es war mir von Anfang an klar. Jedenfalls kommt es nach einem intimen Moment, nach dem Maik (im Dienst! Er vögelt im Dienst seine Schutzbefohlene) einschläft. Ein Glück, dass Maik seinen Job so Ernst nimmt. Denn schon kurze Zeit später ist es soweit: Er muss zusehen, wie Lynn hochprofessionell entführt wird. Ab da beginnt etwas das zweite Drittel des Buches. Hier geht es vor allem um Schuldzuweisungen, falsche Fährten und die immer wiederkehrende Frage, ob ein Großteil des Sicherheitspersonals beschränkt ist. Hier und da gibt es kleine Überraschungen, die ganz nett waren. Aber weiterhin fehlt es an Substanz. Ich kämpfte mich weiter durch – immerhin wollte ich wissen, wieso Lynn entführt wurde. Ja, zumindest das hat mich gecatcht. Als dann Super-Maik loszieht, allein, ohne Waffen, ohne Plan, war ich kurzzeitig versucht, das Buch abzubrechen. Aber natürlich, die Liebe seines Lebens ist in Gefahr und er weiß, er kann sie retten. In kürzester Zeit entwickelt er eine Idee (ich sage bewusst nicht, dass er einen Plan entwickelt, das wäre gelogen) und erhält dann zufälligerweise von anderer Seite noch Hilfe. In dem Moment realisiert er, was für ein riesiger Komplott das Ganze eigentlich ist – glaubt aber weiterhin, er allein könne Lynn retten. Die Entführer, die recht fix bekanntgeben, wer sie sind und wieso sie das Ganze tun, haben aber alles durchgeplant – eine Art Brandbombe wird jegliche Unbefugte abhalten, zu Lynn zu gelangen.

Und so nimmt das letzte Drittel seinen Lauf. Dies ist mit Abstand der beste Teil des Buches, immerhin passiert endlich mal etwas. Ob man die Entwicklungen so gelungen findet, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich fand sie teilweise sehr überzogen, widersprüchlich und zudem kommen recht viele Zufälle zusammen. Es wirkt alles wahnsinnig konstruiert und ich hatte vor allem mit den vielen urplötzlichen Meinungsänderungen ein Problem. Denn quasi im Minutentakt sind Feinde zu Verbündeten geworden. Die anfänglich so hochprofessionellen Entführer entpuppen sich fix als ein Kollektiv Wahnsinniger, deren Anführerin krüde Pläne verfolgt. Die instabilen Strukturen (gefühlt 90% der Mitläufer haben offenbar gar kein Interesse daran, alles so ablaufen zu lassen) und auch mangelnde Absprachen (so wird sich etwa drüber gezofft, dass 6 Millionen auf über 20 Leute nicht gerade reich machen) stehen im starken Kontrast zum hochprofessionellen Überfall (immerhin hatten die sogar eine Hydraulikschere dabei) und den jahrelangen Vorbereitungen. Es war unstimmig und daher führte das Entführungsfinale auch zu mehr Fragezeigen als alles andere. Die Auswirkungen der Entführung hingegen haben mir ganz gut gefallen und waren ein solider Abschluss.

Doch leider, und ich kann es wirklich nicht anders sagen, war diese Buch definitiv nicht das, was ich erwartet habe. Sicher könnte das Buch so manchen überzogenen Hollywood-Filmen Konkurrenz machen und es wird sehr viele Leute geben, die es super unterhaltsam und mitreißend finden werden. Ich fand es leider vor allem widersprüchlich, unrund und zu oft (unfreiwillig?) komisch. Mit Maik, der mir wirklich von Anfang an so extrem auf den Sack ging, konnte ich nicht mitfiebern. Seine stets unüberlegten Handlungen, die von mehr Glück als Verstand geprägt sind, und seine ewigen Meinungen über alle anderen waren echt abturnend. Hinzu kommt, dass Maik von sich so wahnsinnig überzeugt ist – aber gefühlt jedes einzelne Warnzeichen, jede Unstimmigkeit und jede „Red Flag“ nicht sieht. Natürlich gibt es hier und da – vor allem am Ende – Überraschungen, aber mit einigermaßen konzentrierter Lesart kann man viele der Beteiligten vorher schon ausmachen und ist mit einer sicher 80-prozentigen Trefferquote in der Lage, die Handlung vorherzusagen. Da helfen auch im Text angelegte Blendgranaten meiner Meinung nach nicht weiter. Lynn, die vor allem am Anfang mit ihrer Art stark aneckt und mit ihrem ewigen „ich muss gegen sämtliche Regeln verstoßen“-Getue auch nicht gerade für Mitleid sorgt, ist zum Ende hin zumindest ein wenig sympathisch. Ansonsten sind alle Charaktere des Buches wohl recht austauschbar. So kam es auch öfter dazu, dass ich die zahlreichen Namen nicht 100% zuordnen konnte, weil es einfach recht viele gibt.

Mein Fazit am Ende? Wäre Maik mein Bodyguard, würde ich lieber entführt werden. Das Buch steht und fällt mit seinem unsympathischen Protagonisten, der viel zu schnell zum Superheld hochgepusht wird, aber eigentlich nur ein planloser, wahnsinniger und hochgradig Verliebter ist. Zwar bringt das letzte Drittel dann endlich solide Spannung und auch einige Überraschungen, insgesamt ist das Plot aber eher flach, zu vielen Teilen vorhersehbar und für mich leider oftmals auch nur begrenzt nachvollziehbar, da es für mich hier und da Widersprüche gab. Ich kann mich der allgemeinen Begeisterung daher nicht anschließen. Wirklich sehr schade, da ich sowohl Bodyguards, als auch Thriller und Romatik mag.

Bewertung: ★★☆☆☆

[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, dass mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]