29.02.2020

April G. Dark - The dreams they stole

364 Seiten, erschienen als eBook und Taschenbuch als Selfpublisher am 29.11.2019
 „Wie gerne wüde ich den beschi**enen Smog für sie vertreiben und alle Lichter im Umkreis von 100 Meilen auslöschen, damit sie die Sterne sehen kann…“
(Taylor in The dreams they stole)

Worum geht’s?

Rache. Dieser Gedanke ist seit Jahren der Antrieb von Taylor, wenn er wieder im Auftrag seines Vaters und seines Bruder das Familienvermögen mehren soll. Aus reichem Haus musste er lernen, dass es Leute gibt, die ihre Macht und Möglichkeiten skrupellos ausnutzen. Seit acht Jahren strebt er danach, endlich Kayla zu rächen. In einer Nacht hat Scott etwas Unverzeihliches getan und Taylor möchte es wieder gutmachen. Doch als er endlich Kayla findet, muss er feststellen, dass alles deutlich komplizierter ist als er dachte. Plötzlich steht nicht nur sein Racheplan Kopf – sondern auch sein Herz…

The dreams they stole ist ein Einzelband und in sich geschlossen.


Schreibstil / Gestaltung

Das hübsche Cover ist in verschiedenen Orangetönen gehalten und erinnert mit den Wolken an einen Sonnenaufgang. Das Cover wirkt feminin, zugleich aber auch sehr dezent. Es gibt keinen Hinweis auf Inhalt oder Genre Preis. Dennoch hat es mich von Anfang an sehr angesprochen und meine Aufmerksamkeit erregt. Die Geschichte wird sowohl durch Taylor als auch durch Kayla in der Ich-Perspektive erzählt. Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen, einmal in der Gegenwart und einmal in der Vergangenheit vor acht Jahren. Beide Handlungsstränge verlaufen linear. Die Zeitsprünge in die Vergangenheit sind entsprechend übertitelt. Der Schreibstil ist locker, gut lesbar und alterstechnisch angemessen. Das Buch beinhaltet keine Erotikszenen, jedoch potenziell triggernde Situationen, die allerdings nicht en detail beschrieben werden.

Mein Fazit

Es gibt so Bücher, die sieht man und die will man direkt lesen. So war es bei diesem Buch. Bereits der Titel hatte mich so sehr angesprochen, dass ich mir sicher war, dass ich – sofern es in mein Genrefeld passt – es lesen werde. Als dann auch der Klappentext sehr ansprechend war und man dank der Triggerwarnung auch eine erste Vermutung hatte, worum die Geschichte gehen wird, war es um mich geschehen. Doch konnte das Buch halten, was ich erwartet habe?

Die Geschichte startet mit Gegenwarts-Taylor. 24 Jahre alt, steinreich, erfolgreicher Geschäftsmann im Familienunternehmen – und hochgradig angenervt von der Welt, in der er lebt. Denn schon seit langer Zeit kann er mit diesem Rich Kid Life nichts mehr anfangen. Doch er muss durchhalten und gute Miene zum bösen Spiel machen. Immerhin will er seinen Bruder Scott und seinen Vater stürzen. Die beiden haben vor Jahren in einer schicksalshaften Nacht mit ihrer Macht und ihrem Geld eine Entscheidung getroffen, die Taylor nie vergessen hat. Erst war es der schönste Abend seines Lebens, als er auf Sunny traf und sich in sie verliebte, bevor sie ging und nicht mehr zurückkehrte. Tief getroffen schlich er auf sein Zimmer und stolperte in seinen persönlichen Alptraum, als er erfuhr, was sein Vater und Scott einem Mädchen angetan haben. Und so hat er sich geschworen, Rache zu nehmen. Rache für dieses eine Mädchen, was er nicht kennt und von der er nur einen Namen hat: Kayla. Denn sie steht für Taylor als Exempel des andauernden Machtmissbrauches seiner Familie. Doch die Suche nach Kayla ist schwer, denn er hat kaum Infos. Als ihm auf einem Business-Trip nach LA der Durchbruch gelingt und sein bester Freund endlich Informationen zu Kayla findet, ahnt Taylor aber noch nicht, dass bald alles aus dem Ruder laufen wird. Denn was ist, wenn Kayla erfährt, wer er ist? Was ist, wenn Kayla keine Rache will? Was passiert, wenn seine Familie mitbekommt, was er vorhat? Und noch viel schlimmer: Was ist, wenn nach Jahren der Sehnsucht plötzlich auch Sunny wieder auftaucht?

Die Autorin wagt sich mit der Grundidee an ein sehr schwieriges Thema heran. Ich war gespannt, wie sie das Thema im Bezug auf Rache durch eine dritte Person aufbauen möchte. So kam es, dass Taylor das Mädchen von damals sucht und dank der Hilfe eines Freundes auch nach langer Zeit findet. Langsam werden durch Rückblenden die Geschehnisse enthüllt und dem Leser Stück für Stück Raum gegeben, seine eigenen Gedanken zu spinnen. Als es dann endlich soweit ist und Taylor auf Kayla trifft, hagelt es Überraschungen. Ich bin in vielen Punkten positiv überrascht worden, weil typische Klischees aufgebrochen werden und die Autorin ihren Protagonisten auch mal erlaubt, etwas außerhalb der Norm zu sein. So ist etwa die Entwicklung von Kayla, die durch Taylors Beschreibung dieser einen Nacht in einer Art Opferrolle manifestiert ist, direkt aufgebrochen worden und man schämt sich fast, dass man hiervon überrascht ist, denn man muss klar sagen: Wieso sollte es denn so zwingend anders sein? Je weiter ich kam, desto mehr durfte ich feststellen, dass die Autorin die Thematik anders aufarbeitet und dann sowieso noch mit einer großen Überraschung aufschlägt, die alles bisher Geglaubte fein säuberlich demontiert und dazu führt, dass man Taylor, seine Motive, seine bisherigen Mühen in einem anderen Licht sieht. Es hat mir verdammt gut gefallen und war ein bisschen „thinking outside the box“. Doch auch eine gewisse Moral, die diese Geschichte mit sich bringt, vermag zu überzeugen. In diesem Buch geht es um Entscheidungen, vor denen die Protagonisten stehen, um Druck von außen und Erwartungen von anderen. So will Taylor Rache für Kayla, muss dann aber feststellen, dass Kayla es vielleicht gar nicht will. Es geht darum, Größe zu zeigen, aber hierbei nicht rücksichtslos zu sein. Denn Taylor muss für sich entscheiden, was er mit den neuen Informationen anfängt. Es geht um Neuanfänge, um Veränderungen, um falsche Erwartungen und darum, dass manche sich von ihrer Vergangenheit definieren lassen – andere aber nicht. Und hier ziehe ich den Hut! Die Autorin spielt mit den Gedanken der Leser, um ihnen dann zu zeigen, dass die Realität nicht nach Schema F laufen muss.

Zum Ende hin muss ich aber sagen, dass meine Begeisterung etwas abflachte. Es wird ein spannender Showdown präsentiert, mit einigen Überraschungen und so manchen Twists. Doch manchmal wirkt es so, als wäre es nun zu viel des Guten. So taucht ein alter Bekannter wieder auf und sinnt ebenfalls auf Rache, allerdings der etwas anderes Art. Natürlich ist hierdurch das Ende recht packend und durchaus emotional, zugleich entstehen aber auch einige Fragezeichen. Wieso jetzt? Wieso überhaupt? Liegt es daran, dass Taylor keine Ruhe finden darf und soll? Oder sollte es jetzt einfach nochmal dramatisch werden? Ich habe es nicht so wirklich fühlen können, dass man diesen Weg nun gehen muss und empfand es als etwas überzogen. Der Schluss ist dann wieder bilderbuchreif und entlässt zwar zufrieden, aber zugleich war es für mich einfach zu viel, zu gewollt, zu süß. Hier war ich einfach nicht komplett überzeugt.

Zu den Charakteren möchte ich gar nicht so viel sagen, da man sie einfach erleben muss. Taylor ist ein Mensch, bei dem man schnell merkt, dass er sein Herz am rechten Fleck hat, zugleich wirkt er aber auch sehr unzufrieden und unglücklich mit seiner Position in der Gesellschaft. Er ist empathisch und kümmert sich um die Leute, die ihm am Herzen liegen. Zugleich empfand ich ihn aber auch als etwas übergriffig, auch wenn es aus einem guten Zweck heraus ist. Er ist sehr festgefahren in seiner Vorstellung und muss in der Geschichte mehrfach erkennen, dass er falsche Annahmen getroffen hat. Kayla hingegen ist sehr lebensbejahrend, obwohl sie bereits mehrere Tiefschläge durchmachen musste. Ihre Stärke ist bewundernswert und die Kraft, mit der sie sich für andere Menschen einsetzt, wirklich wunderbar. Kayla hat Ecken und Kanten, sie ist stark, braucht zugleich aber auch jemanden, an den sie sich anlehnen kann, nachdem sie ihre Kräfte für alle andren Menschen bereits aufbraucht. Kayla kümmert sich um ihre vom Schicksal gebeutelte Mutter und ihre immer wieder in Schwierigkeiten geratene Freundin Izzy. Izzy ist als Nebencharakter hin und wieder im Buch präsent, genauso wie Taylors Freund Eric. Beide empfand ich als erfrischend. Insgesamt fand ich im Buch alle Hauptcharaktere und ihre Freunde sehr sympathisch. Ich hätte mir allerdings an einigen Stellen mehr Tiefe gewünscht, etwa im Bezug auf Kaylas Mutter und die Entwicklung hierin. Auf jeden Fall sind die Charaktere und auch ihre vielseitigen Facetten gut gelungen.

Ein Punkt allerdings, der es für mich von Anfang an ein recht großes Problem war, ist die Beziehung zwischen Taylor und Sunny. Vor einer Ewigkeit haben sie sich kennengelernt. Ein Abend, wenige Stunde, ein Gespräch, unschuldige Küsse und wunderschöne Erinnerungen. Doch ganze acht Jahre später hängt Taylors Herz weiterhin an Sunny? Das fand ich etwas sehr weit hergeholt. Natürlich sind Liebe auf dem ersten Blick und gerade Teenie-Romanzen nicht den normalen Gesetzen von Gefühlsentwicklung unterworfen, dennoch fand ich den zeitlichen Rahmen für eine regelrecht lebenslange Liebe doch zu kurz. So ist die zugrundeliegende Liebesgeschichte, die sich zwar recht komplex entwickelt, für mich emotional nicht komplett greifbar. Das tut der Geschichte nicht zwingend weh, da sie auch sehr viel außerhalb der Liebesgeschichte zu bieten hat, stört zugleich aber etwas die Abrundung des Buches.

Ebenso wird es für einige Leser auch nicht nachvollziehbar sein, wie Taylor acht Jahre an seiner Rache arbeitet bezüglich einer Thematik, die ihn vermeintlich nicht direkt zu betreffen scheint. Das nimmt teilweise sogar etwas absurde Ausmaße an, denn so trägt er ein großflächiges Tattoo auf dem Rücken mit einem Rache-Engel und dem Schriftzug „für K“ – an dieser Stelle habe ich das Buch echt kurz sinken lassen und musste den Kopf schütteln. Zwar steckt hinter dem Plan von Taylor in meinen Augen deutlich mehr als nur der direkte Punkt, dass er nur Kayla rächen will, sondern vielmehr generell den Einfluss und die missbrauchende Stellung seiner Familie, die sie sich durch Geld und Einfluss an den richtigen Stellen untermauert, zerschlagen will, weil er bereits seit Jugendtagen diesem ausgesetzt ist und hierunter leidet. Allerdings verliert man so manchmal auch den Bezug zu Taylor und hat eher das Gefühl, es mit einem leicht gestörten Zeitgenossen zu tun zu haben. Diese Erkenntnis, dass Taylor manchmal etwas drüber ist, wird auch an anderen Stellen untermauert, etwa durch sein umfassendes digitales Stalking unter Missachtung sämtlicher Gesetze. Die Intention ist ja schön und gut, aber die Ausmaße sind etwas creepy.

Insgesamt ist The dreams they stole aber ein gut gelungener Roman, der durchaus fesselt und mit so mancher Überraschung daherkommt. Die Geschichte basiert auf einer sehr guten und interessanten Grundidee und greift ein durchaus nicht zu verachtendes Thema auf. Die Protagonisten sind sympathisch und nicht unbedingt stereotypisch. Jedoch gibt es hier und da Abzüge in der B-Note, da einige Entwicklungen nicht ganz stimmig waren und ein paar Grundpunkte für mich nicht greifbar waren. Dennoch kann ich das Buch empfehlen und freue mich, weitere Bücher der Autorin zu lesen. Denn der Schreibstil war wirklich gut.

Bewertung: ★★★★

[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das mir freundlicherweise von der Autorin überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]