23.04.2019

L. J. Shen - Broken Love (Sinners of Saint 4)


464 Seiten, erschienen als eBook und broschierte Ausgabe im LYX-Verlag am 29.03.2019

 
„Du wurdest vergiftet und in einen gläsernen Sarg gelegt. Trotzdem bist du kein Schneewittchen. Willst du wissen, warum? […] Schneewittchen wartet auf den Prinzen. Du wirst dich in dieser Geschichte selbst retten.“ 
(Bane zu Jesse in Broken Love)

Worum geht’s?

Ein schreckliches Erlebnis in einer Nacht vor drei Jahren hat Jesse in die Dunkelheit geschickt. Sie möchte vergessen, welches Leid man ihr angetan hat. Sie verlässt kaum noch ihr Haus, hat keine Freunde und Angst vor Männern. Doch dann tritt Roman – genannt Bane – in ihr Leben. Er ist stadtbekannter Krimineller, Betrüger, Lügner, Frauenheld, eigentlich so alles, was sie verachtet. Er möchte sie ins Licht zurückzerren. Doch warum gibt es sich solche Mühe? Kann Jesse ihn vertrauen?

Broken Love ist Band 4 der Sinners of Saint Reihe von L. J. Shen. Das Buch kann als Standalone gelesen werden und ist in sich geschlossen. Es kommen am Rande Charaktere aus den Vorgängerbänden vor, man benötigt aber keine Vorkenntnisse.


Schreibstil / Gestaltung

Das schlichte Cover mit den schwarzen Rauchschwaden und dem schlichten Schriftzug fügt sich hervorragend zu den Vorgängerbänden ein. Ruhig und unaufdringlich wirkt das Buch, verrät zugleich aber auch nichts über den Inhalt.

Der Schreibstil der Autorin ist gewohnt entspannt. Die Charaktere – insbesondere Bane – reden sehr „frei Schnauze“, es gibt zahlreiche umgangssprachliche Begriffe und das Buch lässt sich sehr angenehm und flüssig lesen. Es gab allerdings auch einige Worte, die für mich nicht ganz ins Buch gepasst haben vom Sprachvermögen her, dies tut dem Verständnis aber keinen Abbruch.

Es gibt einen kurzen Prolog, im Anschluss verläuft die Story nach einem dreijährigen Zeitsprung linear. Es gibt zwischenzeitlich eine Rückblende, die als solche gekennzeichnet ist. Das Buch schließt mit einem mehrseitigen Epilog. Die Geschichte wird wechselseitig durch Jesse und Bane in der Ich-Perspektive erzählt. Die Kapitel sind entsprechend beschriftet, allerdings merkt man auch sprachlich sofort, welcher Charakter erzählt.

Mein Fazit

Die Sinners of Saint und mich verbindet eine regelrechte Hassliebe. Bereits die drei Vorgängerbände haben sehr wechselhafte Gefühle in mir hervorgerufen und ich war weitestgehend unsicher, ob ich Broken Love überhaupt lesen möchte. Auf Anraten einer Freundin hin habe ich mich dann dennoch dafür entschieden. Rückblickend bin ich darüber sehr glücklich.

Der Einstieg in das Buch gelang mir ganz gut. Ein kurzer Prolog verrät bereits direkt, was Jesse Schreckliches angetan wurde. Nach einem Zeitsprung befindet sich das Buch in der Gegenwart, wo insbesondere Bane zunächst im Vordergrund steht und vorgestellt wird. Es dauert ein wenig, bis Bane und Jesse das erste Mal aufeinandertreffen. Und der Weg dahin konnte mich nur bedingt begeistern. Nach dem Klappentext hatte ich nicht erwartet, dass ihr Zusammentreffen nicht zufällig sein könnte. Denn tatsächlich hat Bane ein Geheimnis und Hintergedanken. Dies zieht sich durch fast das komplette Buch. Bane versucht mit aller Macht, Jesse zurück ins Leben zu holen. Es gibt Fortschritte, es gibt Rückschritte, es gibt Erkenntnisse – und der Leser hat die ganze Zeit Banes Geheimnis als große Bombe im Hinterkopf. Gegen Ende hin kommen jedoch noch weitere, unvorhersehbare Enthüllungen hinzu und lassen den Leser schockiert und fassungslos dort sitzen.

Die Geschichte kommt mit einem soliden Spannungsbogen daher. Es gibt verhältnismäßig wenig Drama, wenn es dann aber zuschlägt, dann richtig und auch in einer Heftigkeit, die für den ein oder anderen Leser zu viel sein könnte. Dieses Buch thematisiert sexuelle Gewalt. Zwar gibt es keine direkten Schilderungen, das Thema ist aber dennoch präsent und kann durchaus triggernd wirken. Die Autorin hat sich einem heiklen Themenkomplex vorgenommen, der viel Feingefühl benötigt. Auf den meisten Seiten dieses Buches schafft sie es meiner Meinung nach auch, dieses mitzubringen. Es gibt aber auch einige Erotikszenen, wo es mir tatsächlich fehlte. Jesse hat wirklich schlimmes erlebt und leidet zudem unter unerklärlichen Gedächtnislücken. Stück für Stück kämpft sie sich zurück und entdeckt dabei auch ihre eigene Sexualität wieder. Dennoch muss ich sagen, dass mir die Sexszenen im Kontext „zu viel“ waren. Es war die Deutlichkeit und auch die Art, die für mich nicht ganz stimmig waren. Es wirkte fast schon niveaulos, wenn Bane „auf ihre Klitoris spritzt“ oder sie „gegen die Wand nagelt und immer härter und tiefer f**kt“. Dadurch habe ich mich phasenweise doch etwas schwer getan mit dem Buch. Klar, es passt grundsätzlich zur Sinners of Saint Reihe, aber es passte für mich nicht wirklich zum Buch und der Botschaft.

Charaktertechnisch bringt Broken Love alles mit, was man benötigt, um gut unterhalten zu werden. Die Hauptcharaktere Bane und Jesse könnten unterschiedlicher nicht sein. Bane ist ein kiffender Krimineller, der weiß, wie er sich durch Leben vögeln und erpressen muss, um seine Ziele zu erreichen. Es hat verdammt lange gedauert, bis Bane einem ansatzweise sympathisch wurde. Das lag auch daran, dass er sehr glied-orientiert denkt. Er versucht aus beruflichen und privaten Gründen, Jesse aus ihren Schneckenhaus zu holen, zeigt dabei überraschen viel Feingefühl und jede Menge Motivation – zugleich aber auch, dass seine Blutzirkulation zu großen Teilen unter der Gürtellinie stattfindet. Erst nach und nach zeigte sich mehr von Bane und es kamen auch einige liebenswerte Charakterzüge zum Vorschein. Anders ist es bei Jesse gewesen. Sie ist von Anfang an liebenswert und man fiebert so sehr mit ihr mit, man hofft und bangt und wünscht ihr, dass sie es schafft, sich von ihren Dämonen zu befreien. Sie macht eine starke Entwicklung in diesem Buch durch und es war wunderschön mit anzusehen, wie sie sich ihr Leben zurückerobert. Immer wieder wird Jesse durch das Schicksal und die Menschen ihres Umfelds auf neue Proben gestellt und Stück für Stück wächst sie. Kurz vorm Ende des Buches zeigt sie dann ihre wiedergewonnene oder neugewonnene Stärke und ich wollte einfach nur dasitzen und ihr applaudieren.

Die Nebencharaktere reichen von lustigen Freunden über liebenswerte alte Dame bis zur katastrophalen, egoistischen Mutter. Es ist also gut dafür gesorgt, dass man jemandem zum lieben und zum hassen hat. Insbesondere Jesses Mutter war für mich einer der schlimmsten Buchcharaktere, der mir jemals unterkommen ist – nicht von der Gestaltung, sondern von ihren Handlungen her.  Irgendwie war es schön, dass aus den Vorgängerbänden bekannte Charaktere kurze Auftritte hatten, besonders Vicious. Tatsächlich spielte es aber gar keine Rolle und war so nebensächlich, dass es fast krampfhaft wirkte – Hauptsache man stellt die Verbindung zu den Vorgängerbänden her. Auf jeden Fall lässt sich festhalten, dass man Broken Love auch vollkommen ohne Vorkenntnisse lesen kann.

Insgesamt muss ich sagen, dass Broken Love mich nicht sofort, dann aber sehr stark fesseln konnte. Ich fand Jesse und ihre Entwicklung fantastisch und fing mit der Zeit auch an, Bane zu mögen. Es ist ein Buch, was zwischendurch sehr traurig und bedrückend ist, dafür aber auch mit sehr viel Licht aufwartet. Ein starkes Buch von einem Mädchen, was sich ins Leben zurückkämpft, und meiner Meinung nach der beste Teil der Sinners of Saint Reihe, allerdings auch mit einigen Abzügen in der B-Note. Dennoch würde ich das Buch jederzeit empfehlen.

+++ es folgen im Weiteren mögliche Spoiler +++

Auch nach Ende des Buches bin ich mir immer noch nicht sicher, wie ich die Story um Bane und seinen Vertrag mit Darren bewerten möchte. Einerseits musste es einen Grund geben und auch vor dem Hintergrund mit Darren und dem Missbrauch ist es verständlich, weshalb Darren Bane beauftragt hat. Zudem war so im Hintergrund immer eine zu platzend drohende Bombe, die sowohl Spannung als auch Verzweiflung in das Buch gebracht hat. Andererseits beeinflusst es natürlich auch meine Sichtweise auf das ganze Geschehen. Denn Bane hat zwar noble Motive und ist durchaus motiviert, Jesse zu helfen, aber ein fader Beigeschmack bleibt stets zurück.

Etwas zu viel war mir allerdings der Epilog. Ich verstehe, dass die Autorin nach derart hartem Tobak den Leser glücklich entlassen möchte und ja, verdammt, ich mag es, wenn Ende gut, alles gut. Aber: Manchmal ist es auch einfach zu viel. Das hatte ich hier. Es war etwas zu sehr über das Ziel hinausgeschossen, alles (Verurteilung, neuer Welpe, Schwanger, Antrag, alle versammelt am Geburtstag) perfekt enden zu lassen. Daher wurde ich eher augenverdrehend aus dem Buch entlassen. Es muss nicht immer alles perfekt sein, um gut zu sein. 



Bewertung: ★★
[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, was mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt wurde. Meine Meinung wurde hierdurch nicht beeinflusst.]