24.07.2024

Kirsty Greenwood - Wolke Sieben ganz nah

352 Seiten, erschienen als eBook und broschierte Ausgabe im Knaur-Verlag am 01.07.2024
 
„Ich habe vielleicht keinen Einfluss darauf, wie lange ich am Leben bleibe. Aber ich habe einen gewissen Einfluss darauf, wie viel Leben ich in die mir verbleibenden Tage packe.“
(Delphie in Wolke Sieben ganz nah)

Worum geht’s?

Mit 27 Jahren in ihrem leicht peinlichen Nachthemd an einem Mikrowellen-Burger zu ersticken, stand definitiv nicht auf Delphie Bookhams To-do-Liste. Trotzdem findet sich die Londonerin genau auf diese Weise im Nachleben wieder – das leider ganz und gar nicht so ist, wie sie es sich vorgestellt hatte. Nichts scheint im Jenseits so richtig zu funktionieren, angefangen bei der verkratzten VHS-Kassette, auf der Delphie sich die High- und Lowlights ihres Lebens anschauen soll. Doch dann steht sie plötzlich dem attraktivsten Mann gegenüber, dem sie je begegnet ist. Als sein umwerfendes Lächeln sie gerade für alles zu entschädigen scheint, wird der Fremde jedoch mit dem Kommentar »großer Fehler« auf die Erde zurückgeschickt! Aber anders als in ihrem irdischen Dasein ist Delphie diesmal nicht bereit, sich einfach so mit ihrem Pech abzufinden …

Wolken Sieben ganz nah ist ein in sich geschlossener Einzelband.

Inhaltliche Hinweise

Das Buch wird durch Delphie in der Ich-Perspektive erzählt.

Meine Meinung

Als ich bei der Programmvorstellung das erste Mal auf dieses Buch aufmerksam wurde, war mir sofort klar, dass ich es lesen muss. Damals noch unter einem anderen Titel angekündigt, habe ich geduldig monatelang auf das Buch gewartet. Es kam, ich verschlang es und tippe nun diese Worte. Es folgt: eine Liebeserklärung an Wolke Sieben ganz nah.

Vorweg möchte ich betonen, dass das Buch unter die Kategorie „Geschichten, die sich selbst nicht so ernst nehmen“ fällt. Das kann man sich angesichts der Grundidee wahrscheinlich bereits denken, aber das Buch nutzt wirklich alles, um so wunderbar skurril, unberechenbar und auf einer gewissen Art auch cringe zu sein. Aber gerade das führt dazu, dass man hier einen Titel hat, der mit einer sorglosen Leichtigkeit, einer wahnsinnig humorvollen Geschichte und überraschend tiefgründigen Erkenntnissen überzeugt. Delphies Reise ist besonders, definitiv unrealistisch und vollkommen an den Haaren herbeigezogen, aber es geht dabei so sehr um den Kern des Ganzen – wir allein entscheiden, was wir mit unserem Leben anfangen.

Von Delphies Ableben über das Eintreffen im Vorzimmer vom Afterlife (in der Farbe dehydrierte Gans!) bis hin zur skurrilen Jenseits-Therapeutin und der Androhung, Delphie als Testobjekt für ihre Datingplattform Eternity 4 U zu verwenden schreit alles an diesem Buch „zum Totlachen“. Es sind witzige Ideen, unberechenbare Dialoge und absurde Details, die eine Atmosphäre gestalten, die einfach nur Spaß macht. Als Delphie ihre große Liebe trifft, der danach zur Erde zurückgeschickt wird, leckt sie Blut und möchte auch zurück. 10 Tage bekommt sie – und es beginnt eine wilde Reise voller Fettnäpfchen, Unfälle, Zufälle. Und voller Erkenntnisse. Denn das Buch hat eigentlich eine sehr ernste Idee: Delphie ist 27 Jahre, Jungfrau, geht nur arbeiten und hat keine Freunde, kaum Familie und keine Hobbies. Als sie ihr Rückblickvideo sieht, ist dies von Mobbing, Einsamkeit und fehlendem Mut geprägt. Jetzt, mit einem Countdown über dem Kopf, geht Delphie das Leben anders an. Und entdeckt plötzlich, wie viel es zu bieten hat. Auch wenn 10 Tage natürlich ein überschaubarer Zeitraum ist, entwickelt sich in den Tagen so viel und der Leser fiebert mit, ob Delphie es schafft, den Fluch zu brechen, denn auf einmal hat sie so viel zu verlieren. Der alte Nachbar, den sie pflegt. Neugewonnene Freundschaften. Spaß, Glück. Und Liebe. Der geneigte Leser wird sehr schnell erfassen, dass Mister Right of the Afterlife vielleicht doch nicht die Person ist, die Delphies Herz gewinnen soll. Delphie braucht dafür ein paar Stolpersteine (im wahrsten Sinne des Wortes) und Blamagen, aber als die Erkenntnis auch bei ihr ankommt, ist die Zeit fast abgelaufen.

Doch was tun, wenn man realisiert, dass man plötzlich so viel zu verlieren hat, man aber einen irren Deal mit einer vermeintlich verrückten Psychologin aus dem Jenseits eingegangen ist? Die Autorin verrät es und ich muss sagen, dass hier das Ende so manche Wendungen bereithält, die man nicht hervorgesehen hätte (oder gar haben können…) aber diese sich wunderbar in die Verrücktheit des Buches einfügen. Bei diesem Buch ist einfach der Weg das Ziel. Und vielleicht nimmt man auch die ein oder andere Erkenntnis mit, dass es jederzeit vorbei sein könnte, so take the risk!

Mein Fazit

Wolke Sieben ganz nah ist für mich ein Jahreshighlight. Herzlich, mitreißend, ein wenig verrückt und hinter allem steckt zudem noch eine gewichtige Botschaft. Zum Totlachen, Mitschmachten und auch ein wenig zum Nachdenken. Ein Buch, dem man auf jeden Fall eine Chance geben sollte, es lohnt sich!

Bewertung: ★★★★★

[Diese Rezension basiert auf einem vom Verlag oder vom Autor überlassenen Rezensionsexemplar. Meine Meinung wurde hiervon nicht beeinflusst.]