12.05.2024

Antonia Wesseling - Insight: Dein Leben gehört mir

432 Seiten, erschienen als eBook und broschierte Ausgabe im Knaur-Verlag am 02.05.2024
„Wissen ist besser als Glauben. Kontrolle ist besser als Vertrauen.“

(Valerie in Insight)

Worum geht’s?

Valerie Sophie ist eine der größten Influencerinnen Deutschlands, jung, schön, reich und unglaublich beliebt. Dass sie dafür einige Abgründe überwunden und eine schwierige Vergangenheit hinter sich gelassen hat, weiß kaum jemand – und das soll auch so bleiben. Als ein Stalker in ihr Leben tritt, der droht, ihr »kleines Geheimnis« zu verraten, gerät ihre Welt ins Wanken. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an Paul, einen ehemaligen Mitschüler, der inzwischen Polizist ist und verspricht, ihr zu helfen. Dabei kommen sie sich unerwartet nahe. Was Paul allerdings nicht ahnt, ist, dass auch er nur einen Teil der Geschichte kennt …

Insight ist ein Einzelband.

Inhaltliche Hinweise

Das Buch wird durch Valerie in der Ich-Perspektive erzählt, am Ende folgt ein Kapitel aus Pauls Sicht. Das Buch beinhaltet expliziten Content.

Meine Meinung

Von Antonia Wesseling habe ich bereits einige Bücher gelesen und wirklich gemocht. Umso glücklicher war ich, als nun angekündigt wurde, dass mal ein Romantic Suspense Titel mit Social Media Setting von ihr herauskommt. Eine junge Influencerin, die gestalkt wird und sich hilfesuchend an einen ehemaligen Klassenkameraden wendet, der nun Polizist ist? Damit kriegt man mich. Doch am Ende muss ich sagen, dass ich vielleicht zu viel vom Buch erwartet habe.

Es ist schwer, zu erklären, wie ich das Buch fand, ohne grundsätzliche Sachen aufzugreifen, die das Leseerlebnis beeinflussen. Das Buch lebt natürlich davon, dass Valerie versucht, herauszufinden, wer der Stalker ist. Und dieses Mitfiebern möchte ich Interessenten natürlich nicht nehmen, deswegen versuche ich, möglichst vage zu bleiben in dieser Rezension.

Der Einstieg in das Buch ist mir gut gelungen und auch generell war das Erzähltempo und der Erzählstil gut und mitreißend. Valerie ist eine Protagonistin, die dem Leser nicht allzu viel von sich zeigt und verrät. Sie hat ein Geheimnis in der Vergangenheit – oder eher eine Aneinanderreihung von Geheimnissen, die aber im Kern alle auf die gleiche Problematik zurückführen – und hat dieses fest verschlossen und sich quasi eine komplett neue Identität zugelegt, eben als die tolle Influencerin Valerie – hübsch, erfolgreich, lebensfroh. Das alles beginnt aber zu bröckeln, als ihre langjährige Beziehung in die Brüche geht. Valerie entführt den Leser dabei in eine sehr umfassende, facettenreiche Welt des Lebens als Influencer und greift hierbei unfassbar viel Kritik auf. Von Schein und Sein über strategische Freudschaften bis hin zu Contentplanung und dem Drang, das Leben an Social Media anzupassen, wird dabei auch Cancel Culture, die schnelle Meinungsbildung online und die Gratwanderung zwischen Authentizität und Kunstfigur thematisiert. Ich fand diese Einblicke sehr gelungen und fand es toll, dass die Autorin auch kritisch an das Thema herangegangen ist. Auch sowas wie Belästigung online spielt hier eine große Rolle. Dennoch führt das Ganze natürlich auch zu einer gewissen Distanz zu Valerie, da man ihr wirkliches Ich nie so richtig kennenlernt, auch wenn man über ihre Vergangenheit erfährt. Gleiches gilt für die meisten Charaktere – sie wirken alle sehr plastisch und zweckmäßig, aber keiner hat wirklich Tiefe.

Relativ schnell kommt das Thema Stalking auf, wobei ich gestehen muss, dass es für mich eher eine Form von Bedrohung als Stalking war. Natürlich dürfte die rechtliche Definition von Stalking durchaus zutreffen, aber wir reden hier nicht von einer Person, die andauernd auftaucht oder schreibt, sondern vielmehr mit gezielten Aktionen Valeries Leben in Schieflage bringt und vor allem ihre Onlinekarriere sehr in Gefahr bringt. Auch hier gilt wieder: Gute Sozialkritik durch die Autorin, Awareness für „neumoderne“ Problematiken wie Deepfakes und eine vielseitige Darstellung der Problematik. Aber um ehrlich zu sein, hat mich der Thrill-Aspekt nicht abgeholt. Die Polizei, die natürlich immer nichts tut und alles auch nicht ernst nimmt (häufiges Thema, was mir immer berufsbedingt ein bisschen wehtut), der alte Schulfreund, der plötzlich als Superermittler sich um den Fall kümmert und Valerie, die selbst noch einige Schlüsse zieht – hier werde jede Menge falsche Fährten gelegt, teilweise sogar so weit, dass man sich fragt, ob Valerie das alles wirklich erlebt. Nicht alles war für mich nachvollziehbar, vieles war ein bisschen zufällig und gerade Pauls „Arbeit“ fühlte sich auf so vielen Ebenen komisch an. Als dann das große Finale kommt und quasi jeder verdächtigt wirkt, wurde ein Teil meiner Vorahnung bestätigt, einige Fäden blieben für mich aber lose zurück und so ganz rund fühlte sich die Erklärung nicht an – oder ich habe das Ende nicht richtig verstanden.

Der letzte Aspekt ist natürlich der Romance-Teil des Buches. Und den habe ich leider wirklich gar nicht gespürt. Paul ist auf einmal da, beide machen miteinander rum, Paul ist ihr großer Retter. So hat es sich für mich insgesamt angefühlt. Ich habe keine Chemie spüren können, Paul als Charakter war mir komplett fremd und die gelegentliche Andeutung seiner polizeilichen Arbeit war auch nicht gerade zielführend. Ich fand die Entwicklung der beiden total hölzern und gefühlt fast nur auf den Spice-Teil reduziert. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich recht früh Paul suspekt fand und dies bis zum Schluss anhielt.

Mein Fazit

Insight hatte für mich eine tolle Idee und die sozialkritischen Aspekte im Hinblick auf Social Media wurden gut rüber gebracht, aber es fehlte mir sowohl am Romance als auch am Thrill-Teil zu sehr. Es gibt nette Sackgassen und ein paar Twists, aber wirklich abgeholt hat mich die Auflösung leider nicht.

Bewertung: ★★★☆☆

[Diese Rezension basiert auf einem vom Verlag oder vom Autor überlassenen Rezensionsexemplar. Meine Meinung wurde hiervon nicht beeinflusst.]