04.02.2024

Julia Pelzer - Nothing like you

368 Seiten, erschienen als eBook und broschierte Ausgabe im Forever-Verlag am 01.02.2024
„Man lernt, mit solchen Situationen umzugehen oder sie zu vermeiden. Meistens jedenfalls. Aber das ändert nichts, wenn es einen dann doch eiskalt erwischt und die Welle über einem zusammenschlägt.“
(Jax in Nothing like you)

Worum geht’s?


Mit nichts als ein paar Dollar in der Tasche möchte die begabte Ally an der University of Arizona neu anfangen. Die Briefe, die sie jede Woche bekommt, sind die letzte Verbindung zu ihrem alten Leben, von dem niemand etwas wissen soll. Doch dann landet ihre Post ausgerechnet im Briefkasten des selbstverliebten Jax ... Jax genießt das Partyleben auf dem Campus in vollen Zügen, um den Leistungsdruck zu vergessen. Er muss doppelt so hart wie seine Freunde pauken, trotzdem weiß fast niemand von seiner Legasthenie – und das aus gutem Grund. Bis nach einer verpatzen Prüfung sein Abschluss auf dem Spiel steht und er andere Sorgen hat, als sich um die Nachrichten in seinem Briefkasten zu kümmern. Aber dann taucht Ally auf, die empört ihre Post zurückwill – und Gefühle in Jax weckt, die er längst verlernt geglaubt hat …

Nothing like you ist ein Einzelband und in sich geschlossen.

Schreibstil und inhaltliche Hinweise

Das Buch ist in der Ich-Perspektive von Ally und Jax geschrieben. Im Buch sind potenziell triggernde Themen enthalten, etwa aus dem Bereich Mobbing und häusliche Gewalt.

Meine Meinung

Gut Ding will Weile haben. Selten hat ein Spruch so gut gepasst wie bei diesem Buch. Schon seit langer Zeit habe ich es auf meiner Wunschliste, einige Verschiebungen sorgten aber dafür, dass es jetzt erst kam. Und was soll ich sagen? Das Warten hat sich gelohnt. Es ist länger her, dass ich eine klassische College-Geschichte gelesen habe und deswegen habe ich mich sehr darauf gefreut. Hinter Jax und Ally steckt aber so viel mehr, als der Klappentext vermuten lässt.

Die Geschichte beginnt turbulent und charmant. Ally kommt am College an, sie ist das klassische Bild von motivierter Studentin. Sie hält sich von Partys fern, hat hohe Erwartungen an sich und vor allem an ihr Jurastudium. Doch der Stein trügt. Hinter Ally steckt eine wahnsinnig tragische Vergangenheit, die Mutter ist bei einem medizinischen Eingriff gestorben, die Familie hat bei der Klage gegen das Krankenhaus alles verloren und Ally und ihr Bruder Eric sind zu Vollwaisen geworden. Während Ally nun Jura studieren möchte, um für Gerechtigkeit zu kämpfen und die Welt zu verändern, sitzt Eric im Gefängnis. Dieses Thema wird im Laufe der Geschichte immer wieder aufgegriffen, vor allem ist es aber auch der Anlass für DEN Brief. Denn Erics Anwalt hat Ally einen Brief geschrieben, der im Briefkasten von Jax gelandet ist. Jax ist das Gegenteil von Ally. Laut, überdreht, immer für eine Party zu haben. So denkt man zumindest, denn diese Partyclown-Fassade legt Jax nur auf, um seine wahren Probleme zu verdecken. Jax leidet unter einer Lese-Rechtschreib-Schwäche, was dazu führt, dass er arge Probleme im Studium hat. Seine Professorin nimmt das nicht ernst, führt ihn öffentlich vor und stellt ihn als dumm und faul dar. Als der schicksalshafte Brief beide zueinander führt, ist dort nichts als Wut und Hass auf Allys Seite, aber als Jax ihr ein Jobangebot macht, ändert sich dies. Und der Weg, den der Leser mit beiden gehen darf, ist einfach nur supertoll beschrieben.

Ich habe wirklich nicht gedacht, dass mich das Buch so sehr berühren würde. Ich habe eine lustige Enemies-to-Lovers-College-Geschichte erwartet. Aber dieses Buch hat so viel Tiefe und Gefühl, dass mir beim Lesen immer wieder schwer ums Herz geworden ist. Die Autorin – es war mein erstes Buch von ihr – ist wirklich begabt darin, mit Worten Emotionen und Bilder im Kopf auszulösen. Sie trifft dabei über den Großteil des Buches ein wunderbares Gleichgewicht aus lockerer Drumherum-Geschichte mit ein wenig Witz und ein paar typischen Klischees und aus drückender, ergreifender Hauptgeschichte über zwei junge Leute, die so sehr dafür kämpfen mussten, dort zu sein, wo sie jetzt sind. Allys Lebensgeschichte ist tragisch, von lauter Verlusten geprägt und man bewundert Ally sehr, wie sie sich allem stellt. Immer wieder wird sie mit Ängsten konfrontiert, die Erinnerungen in ihr hervorrufen. Sie hat Geldprobleme, muss mehrere Jobs gleichzeitig jonglieren und ergattert zudem noch ein begehrtes Praktikum. Bei Ally geht es viel darum, wieder ins Leben zurückzufinden, nach vorne zu schauen und ein neues Leben aufzubauen, dass sie glücklich machen könnte. Jax hingegen hat alles im Leben, könnte man meinen. Reiche Eltern, ein großer Familienbetrieb im Nacken, viel Verständnis seiner Familie für seine Legasthenie. Doch im Laufe der Geschichte erlebt man, wie sehr seine Familie ihn kleinhält, vor allem Gefahren beschützen möchte und ihm damit erst recht das Gefühl gibt, ein Versager zu sein. Jax entführt den Leser außerdem in die Welt der analogen Fotografie und ich fand diese Ausflüge wahnsinnig interessant und auch passend für die Komplexität von Jax‘ Charakter. Mit Jax habe ich an vielen Stellen im Buch gelitten, einfach weil ich gemerkt habe, so furchtbar es sein muss, wenn die vermeintlich simpelsten Sachen im Leben – wie das Lesen – nicht so funktionieren, wie man möchte. Es gibt einige Szenen, wo Leute Jax bewusst und teilweise unbewusst, aber boshaft vorführen. Und diese Szenen haben mich wirklich wütend gemacht. Ich fand aber die Entwicklung, wie Jax und Ally nach und nach einander geholfen haben, wirklich schön und berührend. Auch mit dem Drumherum, den Freundschaften, den Einflüssen der Clique – das hat alles gut gepasst. Die Beziehungsentwicklung war langsam und stetig, es hat sich weder überrumpelt noch zu langsam angefühlt. Die Autorin hat hier ein super Tempo gefunden, alle Handlungen toll zueinander geführt und für die ein oder andere Überraschung gesorgt.

Gegen Ende hin muss ich aber sagen, dass mir einiges etwas zu viel wurde. Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen, weil ich so gefesselt war von der Geschichte. So begeistert davon war, wie die Autorin einige Klischees und Stereotypen nutzt, ihnen aber einen ganz anderen Twist gibt. Zum Ende hin gibt es nun also wieder klassisches Drama, wo einige Leute ihr wahres Gesicht zeigen. Ich konnte hier aber etwa Allys Entscheidungen teilweise nicht nachvollziehen, einiges hat sich gehetzt angefühlt, anderes zu einfach oder viel eher zu gewollt und konstruiert. Nichtsdestotrotz fand ich das Buch wirklich toll geschrieben und mochte, dass mit Jax‘ Beeinträchtigung mal ein ungewöhnlicher, aber wichtiger Punkt in einem College-Roman angesprochen wurde.

Mein Fazit

Nothing like you ist eine gefühlvolle Geschichte, die so viel mehr als nur eine simple College-Lovestory ist. Jax und Ally sind interessante Charaktere, die Beziehungsentwicklung ist greifbar und schön. Die Päckchen der beiden sind vielfältig dargestellt und haben mich berührt. Die finalen Seiten fand ich etwas zu gewollt und zu gehetzt, aber insgesamt spreche ich dem Buch auf jeden Fall eine Leseempfehlung aus.

Bewertung: ★★★★

[Diese Rezension basiert auf einem vom Verlag oder vom Autor überlassenen Rezensionsexemplar. Meine Meinung wurde hiervon nicht beeinflusst.]