„Siehst du das denn nicht? Du bist nicht du.“
(Eric zu Charlie in Girl at heart)
(Eric zu Charlie in Girl at heart)
Worum geht’s?
Charlie ist der typische Kumpeltyp. Gemeinsam mit ihrem besten Freund Eric ist sie der Superstar des Highschool-Baseball-Teams. Aber Charlie fliegt total unter dem Radar. Sie hat wenige Freunde, alles nur Jungs und kennt sich mit Mädchenthemen nicht aus. Und außerdem ist sie in ihren besten Freund Eric verliebt – doch der sieht sie gar nicht als Mädchen. Kurzum entschiedet Charlie daher, mehr Charlotte sein zu wollen. Doch wie wird ihr Umfeld auf ihre Veränderung reagieren?
Girl at heart ist ein Einzelband und in sich geschlossen.
Schreibstil / Gestaltung
Das Cover ist in dunkelblau gehalten und mit Elementen verziert, die an Highschool erinnern und somit automatisch einen gewissen Bezug herstellen, da das Setting im Buch auch eine Highschool ist. Das Buch wird ausschließlich von Charlie in der Ich-Perspektive erzählt. Die Handlung verläuft linear. Der Schreibstil ist locker-leicht, die Sprache jugendlich. Das Buch enthält weder Intimszenen noch explizite Sprache.
Meine Meinung
Girl at heart ist eines dieser Bücher, auf das man sich freut, aber zugleich unruhig ist. Ich habe von Kelly Oram noch nichts gelesen, sie wird aber immer wieder sehr hoch angesehen und davon gesprochen, wie wunderbar ihre Bücher sind. Auf das Buch habe ich mich vor allem deswegen gefreut, weil es mich von der Story her ein wenig an bekannte Filme wie „Eine wie keine“ oder „Duff“ erinnert, die ich sehr geliebt habe. Und ich hatte gehofft, hier ähnlich begeistert zu sein. Dem war aber leider nicht so.
Im Fokus der Geschichte steht Charlie. Sie ist im letzten Schuljahr an der Highschool, extrem begabt im Baseballspielen und hat ein paar sehr gute Freunde an ihrer Seite. Doch als diese ohne sie planen, zum Abschlussball zu gehen und sogar darüber lachen, dass sie sich daran überhaupt stört, platzt ihr regelrecht der Kragen. Charlie merkt, dass sie immer nur der Kumpeltyp ist. Dass sie gar nicht als Mädchen gesehen wird und sich auch nicht so fühlt. Dazu kommt, dass sie Gefühle für ihren besten Freund Eric hat, der aber eben quasi der Anführer der „Charlie ist einer von uns“-Fraktion ist. Vorschnell entscheidet sich Charlie, aus dem Baseballteam auszusteigen, da sie in dem Sport am College sowieso keine Zukunft hat. Und so tritt Jace, Kapitän des Teams, auf den Plan und versucht, Charlies Sorgen und Gedanken nachzuvollziehen. Und ihr zu helfen. Gemeinsam mit seiner Zwillingsschwester Leila, beliebte Cheerleaderin an der Highschool, stellt er Charlies Leben auf den Kopf. Und später auch ihr Herz.
Ich muss sagen, dass ich echt einige Zeit gebraucht habe, in das Buch reinzukommen. Von Anfang an sind die Charaktere alle sehr stereotypisch aufgebaut. Die Freunde von Charlie reißen einen Witz nach dem anderen, einige davon durchaus im Bereich des sexistischen und verletzenden. Auch Baseball wird immer mal wieder thematisiert, durch das Team, durch die Jungs, durch Spiele, die Charlie besucht, und natürlich durch Charlies Vater. Langsam entwickelt sich die Geschichte, bis Charlies großer Moment – oder eher der große Knall – kommt. Ab hier wird die Geschichte etwas lebhafter und man hat auch das Gefühl, dass mehr passiert. Aber leider gilt auch hier: Sehr viele Klischees, sehr viele Stereotypen, alles vielleicht auch ein wenig zu perfekt. Jace und Leila helfen Charlie, sind sofort von 0 auf 100 dabei (wobei das bei Jace greifbarer ist als bei Leila) und auch Charlie lernt schnell, sich wohler zu fühlen. Umstyling, neuer Kleiderschrank, teilweise neue Freunde inklusive. Es geht alles sehr schnell, gefühlt vergehen im Buch nur wenige Tage und trotzdem fallen alle Puzzleteile an ihre Stelle. Das wirkte für mich teilweise unglaubwürdig, gleichzeitig ist es ein Jugendbuch, wo ich grundsätzlich sage, dass alles ein wenig perfekter sein darf. Trotzdem wirkte es so oft gestellt, sehr konstruiert und blass.
Gleichzeitig habe ich aber das Gefühl, die Charaktere sehr wenig kennengelernt zu haben. Charlie als Hauptcharakter wird noch einigermaßen beleuchtet, auch wenn hier bis fast zum Schluss die Gedankengänge etwas nebulös bleiben. Erst später, wenn es darum geht, sich mit ihren Freunden auszusprechen, kommt ein wenig Tiefe in die Geschichte. Diese geht auch über das übliche „ich wollte, dass du mich siehst“ hinaus, was mir gut gefallen hat. Es geht darum, was Charlie wollte, für sich selbst. Doch gleichzeitig gibt es immer wieder Momente auf dem Weg dahin, wo man das Gefühl hat, sie macht es nur für andere. Der Umgang ihres Teams, vor allem aber ihrer Freunde mit ihr, war phasenweise echt fast schon anstrengend. Die Jungs sind um die 18, benehmen sich aber oft wie 12. Man möchte sie allesamt schütteln, um sie zu fragen, wieso sie teilweise eigentlich so einen Quatsch von sich geben. Und gleichzeitig fragt man sich manchmal, wie Charlie eigentlich mit ihnen befreundet sein kann. Denn gefühlt verbindet sie nur Baseball miteinander.
Baseball ist ein zentrales Thema in der Geschichte. Nicht nur, weil hierdurch erklärt wird, wieso die Jungs Charlie nicht als Mädchen sehen, sondern auch, weil die Autorin höher greift und die Ungleichbehandlung im Profisport anspricht. Immer wieder wird eingeführt, dass Charlie extrem gut ist, jedoch als Mädchen nach der Highschool kaum eine Chance haben wird. Zwar torpediert die Autorin sich gegen Ende in meinen Augen ein wenig selbst, da sie versucht, ein nettes Ende zu kreieren, aber abholen konnte es mich leider nur eingeschränkt. Ebenso gab es leider im Buch immer wieder Phasen, wo ich nicht mitgekommen bin. Denn da wird auch mal ein paar Seiten über Spielzüge geredet, von denen ich keine Ahnung habe, die aber auch nicht erklärt werden. Für die Botschaft des Buches ist dies allerdings auch kein Problem.
Interessant fand ich, was die Autorin aus der Liebesgeschichte gemacht hat. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich überrascht wurde. Ich habe es so erwartet und ganz ehrlich, es hätte mich bei all den Umständen auch gewundert, wenn es anders gekommen wäre. Mittelfristig muss Charlie sich nämlich fragen, ob sie Gefühle für Eric oder für Jace oder für beide hat. Kurzzeitig war zu befürchten, dass es ein kompliziertes Hin und Her wird, aber die Autorin löst es gradlinig und nachvollziehbar. Eric und Jace sind als Love Interests aber auch sehr gegensätzlich geraten. Während Jace wirklich der perfekteste aller Good Guys ist (hallo, er trägt sogar die Shoppingtüten, organisiert ein Picknick und hält Charlie die Tür auf!), ist Eric so einer, den ich sofort abschießen würde und das nicht nur, weil er Charlie öfter mal bewusst und unbewusst verletzt, sondern auch, weil er schon ziemlich unsympathisch rüberkommt. Jedenfalls konnte ich mit der Entwicklung der Liebesgeschichte ganz gut leben.
Zu den Charakteren muss ich sagen, dass ich mir gewünscht hätte, dass sie mehr ausgearbeitet worden wären. Wer sind sie, was macht sie aus, was sind ihre Gedanken? Sie sind alles nur stereotypische Platzhalter, ultimativ austauschbar und in den wenigsten Fällen handlungsfördernd. Die perfekte, liebe Cheerleaderin, der perfekte tolle Mannschaftskapitän, die mutmaßlich witzigen Teammitglieder, die biestige Kontrahentin um das Herz des Jungen, der liebevolle, etwas überenergetische Vater, der strenge, aber rücksichtsvolle Coach – sie sind alle da. Wie ein in vielen Medien ausgezeichnetes Abziehbildchen amerikanischer Highschools. Man kann gut damit leben in diesem Buch, es führte für mich aber eben auch dazu, dass ich wenig Verbindung zu den Charakteren gespürt habe. So verpuffte für mich das – in meinen Augen viel zu perfekte – Ende leider auch etwas, da ich mich mit den Charakteren nicht wirklich freuen konnte. Es war ein süßes, ein schönes, ein zufriedenstellendes Ende, was ich einfach wohlwollend zur Kenntnis genommen habe. Mein Herz konnte es – wie leider eigentlich fast das ganze Buch – aber nicht erreichen.
Mein Fazit
Insgesamt ist Girl at Heart ein Buch, was man durchaus gut zwischendurch lesen kann. Es hat keine sonderlich komplizierte Geschichte, wenig Dramatik und bindet viele Klischees und Stereotypen ein. Die vorhersehbare Geschichte kann in einigen Punkten aber dennoch überzeugen, auch wenn es an Tiefe fehlt. Für einen entspannten Leseabend ist das Buch auf jeden Fall geeignet.
Bewertung: ★★★☆☆
[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]