25.10.2020

Roni Loren - Unvergesslich: Du und ich (Long Acre 1)

416 Seiten, erschienen als eBook und broschierte Ausgabe im Lübbe-Verlag am 30.09.2020
„Ich weiß, dass du keinen Beschützer brauchst. Doch wenn du bei mir bist, dann hast du einen.“
(Finn zu Liv in Unvergesslich)

Worum geht’s?

Finn und Liv haben Schreckliches erleben müssen. Bei ihrem Abschlussball haben zwei Mitschüler in Rahmen eines Amoklaufes zahlreiche Leute getötet und auch die beiden waren betroffen. Als sie jetzt, 12 Jahre später, anlässlich des Jahrestages der Katastrophe zurückkehren, hat sich viel verändert. Liv hat sich ein sicheres Leben voller Routinen aufgebaut, während Finn als FBI-Agent gerade zwei Jahre undercover gelebt hat. Als beide nun aufeinandertreffen, flammen alte Gefühle, aber auch grausame Erinnerungen wieder auf.

Unvergesslich ist Band 1 der Long Acre-Trilogie. Das Buch ist handlungstechnisch in sich geschlossen, es kommen jedoch Charaktere der Folgebände vor und der Amoklauf verbindet die drei Bücher, weshalb sie zusammenhängend gelesen werden sollten. 

Schreibstil / Gestaltung

Das Cover zeigt zwei sich küssende Leute im Regen, was sehr stimmig ist und etwas zum Buch passt. Die Covergestaltung ist interessant und auffällig, gibt zudem auch ein Gefühl für die Art des Buches und kann mich überzeugen. Die Geschichte verläuft linear und wird aus der Erzähler-Perspektive berichtet. Der Schreibstil ist sehr angenehm und gut lesbar, das Buch bewegt sich sprachlich auf einem guten Niveau für Unterhaltungsliteratur. Das Buch beinhaltet einige erotische Szenen, die etwas explizit, aber sehr niveauvoll sind. Das Buch beinhaltet zudem Themen wie Panikattacken.

Meine Meinung

Als ich zu Unvergesslich griff, war es vor allem der Hinweis, dass Finn Undercovercop ist, der mich reizte. Ich hatte mir auch die Klappentexte der Folgebände angeschaut und dachte daher, dass nur in Band 3 ein Amoklauf Thema ist. Entsprechend groß war meine Begeisterung, dass der Amoklauf das verbindende Element der drei Bücher ist. Es ist ein Thema, was in der Literatur selten vorkommt und ich war gespannt, wie die Autorin es umsetzt.

Das Buch startet an der Schule, an der damals alles passiert ist. Für eine Dokumentation zum 12. Jahrestag der Tragödie kehren einige der Überlebenden und Angehörige zurück, unter ihnen auch Liv und Finn, aber auch Rebecca, Kincaid und Taryn. Sie alle haben damals in der schicksalshaften Nacht überlebt oder jemanden geliebten verloren. Jahre sind vergangen und alle sind erwachsen geworden, doch die Schatten von damals liegen teilweise noch über ihnen. Liv trifft beim Dreh auf Finn, mit dem sie ein Geheimnis aus der Schicksalsnacht verbindet, von dem niemand weiß. Doch dieses Geheimnis ist es auch, was beide nie wirklich voneinander loskommen lassen hat. Doch beide sind nicht mehr die Schüler von damals, Liv ist eine selbstbewusste Frau geworden, die für ihren Designjob all ihre Zeit (und auch ihr Fotografiehobby) geopfert hat. Finn hingegen ist FBI-Agent und war zuletzt undercover im Kampf gegen den Waffenhandel unterwegs. Die Rückkehr an die Long Acre Schule ist für ihn nur eine Durchreise, denn sein Ziel ist ein verlassenes Haus, wo er nach seinem Einsatz ausspannen soll. Nachdem er Liv wiedergesehen hat, kann er sie nicht vergessen. Und so treffen beide kurzerhand eine Übereinkunft: Liv soll mit Finn die Wochenenden im Haus am See verbringen. Werden alte Wunden wieder aufreißen oder die beiden die Erlösung finden, die sie nach so vielen Jahren verdienen?

Schon nach wenigen Seiten kam das erste große Oho: Der Amoklauf wird thematisiert. Überrascht davon, dass es in dem Buch überhaupt Thema ist, zugleich aber auch überrascht, dass das Geheimnis und tragische Ereignis so früh gelüftet wird, war ich voller Begeisterung und Vorfreude. Amokläufe sind ein Thema, was sehr emotional und vielschichtig sein kann und auch lange Zeit später für viele Probleme Sorgen können. Ich hatte hohe Erwartungen an die Geschichte, denn wir hatten hier einige Überlebende einer tragischen Nacht, die versucht haben, sich ein neues Leben aufzubauen. Während dies bei Liv anfangs vor allem aus viel Alkohol und Zerstreuung bestand, ist sie mittlerweile ein Workaholic und steht auf Sicherheit. Zurück an der Long Acre kriegt sie aber Panikattacken und Alpträume. Finn, mittlerweile FBI-Agent, hat direkt wieder das Bedürfnis, Liv zu schützen. Doch es ist schwierig, weil er sich selbst als rücksichtslos und gefährlich einstuft. Dennoch kommen beide nicht voneinander los und beginnen im Rahmen einer Sommerliebelei, sich gegenseitig zu helfen: Liv möchte mutiger werden, Finn muss den Weg ins soziale Leben zurückfinden. Alles klingt so unglaublich vielversprechend und emotional. Doch leider, leider konnte das Buch für mich eben diese Erwartungen nicht erfüllen. Während anfangs der Amoklauf und die Folgen knapp thematisiert wird, wird es bald zu einem Randthema. Es wird immer wieder als Motivation für bestimmte Handlungen herangezogen, verliert mit der Zeit aber immer mehr an Bedeutung. Das ist grundsätzlich nicht schlimm, da natürlich auch Heilung eintreten soll, zeitgleich wirkte es aber so, als hätte sich die Autorin einen gigantische Aufhänger gesucht, der schockt, dann aber nicht konsequent mit den Problematiken mitgezogen.

Das ist vielleicht auch einer der Punkte, der mich am meisten gestört hat. Hier liegt so viel Potenzial und es ist ein besonderes, ungewöhnliches Thema. Aber ausgenutzt hat die Autorin dies einfach kaum. Nach anfänglichen Panikattacken geht’s Liv gut, Finn beschwört anfangs seine Undercoverfolgen, spricht aber eigentlich nie über seine Polizeizeit, wenig über das Leben undercover und schon gar nicht über seinen psychischen Zustand. Da stellt sich die Frage, wieso er dann überhaupt undercover sein musste, fast wirkt es wie eine kleine Blendgranate. Schon nach kurzer Zeit geht es nur um die Liebschaft der beiden, einige kleine Bettmomente und die schöne gemeinsame Zeit zusammen. Langsam plätschert die Story dahin, es gibt wenige emotionale Highlights, wenig Drama, kaum Probleme. Nach der Hälfte des Buches hatte ich leider das Gefühl, hier in einem absolut standardmäßigen Liebesroman zu stecken. Vielleicht wollte ich zu viel, aber das Thema Undercoverleben und Amoklauf kam mir ehrlich gesagt einfach zu kurz. Zwar wird in Band 2 und 3 der Amoklauf noch weiter thematisiert und hier wurden auch schon die ersten Handlungsstränge gelegt, aber irgendwie war Unvergesslich nach einem starken, emotionalen Anfang schnell platt und konnte auch mit dem schnellen, etwas überrumpelnden Ende nicht so überzeugen.

Die Liebesgeschichte lässt mich ein wenig zwiegespalten zurück. Liv und Finn haben Vorgeschichte, die hier auch thematisiert wird. Hier steht vor allem eine Frage hinsichtlich einer bestimmten Handlung von Finn im Raum, bei der ich aber das Gefühl habe, dass die Protagonisten hier etwas drumherum eiern. Zwar wird es hin und wieder angesprochen, aber so eine richtige – abschließende – Aussprache fehlt. Auch sind bezüglich der Zeit nach dem Amoklauf viele Fragen offengeblieben. Die beiden treffen sich jetzt 12 Jahre später wieder und gehen recht schnell zurück in die Highschoolzeit, mit einer kleinen, harmlosen Sommerromanze. So ist zumindest der Plan. Natürlich ist dies von Anfang an zum Scheitern verurteilt und trotz aller Warnzeichen versuchen die beiden es. Jetzt wird’s aber schwierig, weil die beiden von 0 auf 100 im Liebesmodus sind, sich aber immer wieder auf „nur eine lose Sache“ berufen. Entsprechend überrumpelnd wirken einige der letzten Szenen im Buch, die mit etwas Drama vor allem Finn vor eine schwere Entscheidung stellen. Leider ist es so, dass die Liebesgeschichte zwar schön, aber irgendwie auch fast schon wenig tiefgründig ist. Beide tun sich gut, keine Frage. Aber diese Spannung, das Prickeln und die Gefühle konnte ich nicht nachvollziehen. Es wirkt manchmal so, als würden beide krampfhaft nach vorn schauen, aber zeitgleich schwebt die Vergangenheit über ihnen. Ich weiß nicht, wieso. Aber es fehlte mir eine gewisse Klärung zwischen den beiden, damit ich ihre Beziehung gutheißen kann.

Zu den Charakteren muss ich sagen, dass es mir leider so vorkommt, als hätte ich sie nicht so sehr kennenlernen dürfen. Vielleicht liegt es an der Erzählperspektive, aber Liv und Finn blieben für mich immer etwas unnahbar, vor allem Finn. Man erfährt für meinen Geschmack zu wenig über ihn und kann sich entsprechend weniger in ihn hineinversetzen. Er ist zwar sehr sympathisch und sehr bemüht um Liv, aber gerade seine Vergangenheit undercover wird sehr wenig thematisiert, was ich sehr schade fand. Er hätte letztendlich fast jeden Beruf machen können, von dem er sich eine Auszeit nimmt. Die wenigen Momente, etwa wo er ausflippt, sind eher auf den Amoklauf als seine Tätigkeit zurückzuführen. Hier hätte man deutlich mehr machen können. Liv hingegen wird etwas mehr beleuchtet und es geht hier vor allem auch darum, wie sie aus ihrem starren, sicheren Leben ausbricht. Dies wurde auch gut beleuchtet, aber dennoch wirkten beide eher blass. Die anderen Charaktere, vor allem die anderen Mädels, werden hin und wieder erwähnt, haben selbst aber wenig Auftritte, vermutlich auch, weil sie eigene Bücher kriegen.

Im Buch sind einige Intimszenen enthalten, die auch etwas expliziter und umfangreicher sind. Sie stehen vor allem für die Entwicklung der Beziehung von Finn und Liv, aber auch für die Heilung und Hoffnung, die beide benötigen. Sie runden das Buch daher trotz der schweren Thematik in einer stimmigen Weise ab.

Mein Fazit

Schlussendlich ist Unvergesslich ein tolles Buch, was eine wirklich bewegende Thematik aufgreift. Der Amoklauf schwebt über den Charakteren und es geht darum, wie sie ihren Weg zurück ins Leben finden. Leider fehlt oftmals die Tiefe und auch etwas das Gefühl, was die Entwicklung der Liebesgeschichte etwas blass wirken lässt. Die Charaktere blieben für mich etwas zu oberflächlich und zwischendurch hat das Buch immer wieder Längen. Dennoch mochte ich die Geschichte und kann sie für einen angenehmen Lesemoment durchaus empfehlen, auch wenn vermutlich mehr möglich gewesen wäre.

Bewertung: ★★★★

[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]