22.02.2019

G. S. Lima - Writers in New York


480 Seiten, erschienen als eBook und Taschenbuch im Piper Verlag am 01.03.2019

„Mein Herz pochte, als mir plötzlich ein Stein vom Herzen fiel. Ich tippte Worte, von denen ich selbst nicht einmal gewusst hatte. Denn sie kamen direkt von meinem Herzen und wir alle wissen, dass mein Herz und ich bisher nicht besonders viel miteinander kommuniziert haben.“ 
(Alec in Writers in New York – Jedes Wort ist für dich)

Worum geht’s?

Freiheit. Das ist, wonach India sucht, als sie kurzerhand von Alabama nach New York kommt, um Kreatives Schreiben zu studieren. Nur ein paar Monate Auszeit von ihrem Elternhaus, was ihre Liebe zum Schreiben nicht verstehen und nicht tolerieren will, ein paar Monate machen, was sie möchte – das ist alles, was India will. Aber New York hält so viel mehr für sie bereit, besonders als sie auf ihren Nachbarn Alec trifft. Alec, begnadeter Frauenaufreißer und noch begnadeter darin, keine Gefühle zu haben, möchte auch schreiben. Doch schon bald kann er nicht mehr schreiben, denn seine Gedanken werden nur noch von India beherrscht…

Writers in New York ist in sich geschlossen.

Schreibstil / Gestaltung

Writers in New York hat eines der schönsten Cover, was ich jemals gesehen habe. Eine weiche, feminine Farbgebung gepaart mit einem Blick aus dem Fenster auf die Skyline New Yorks und das Notizbuch passen durch ihre träumerische Ausstrahlung perfekt zum Buch. Es ist einfach ein absoluter Hingucker.

Die Geschichte wird wechselnd aus Sicht von India und Alec in der Ich-Perspektive erzählt. Der jeweiliger Erzähler wird durch eine entsprechende Überschrift auch genannt, allerdings merkt man auch inhaltlich sofort, ob Alec oder India erzählt, da beide in ihrer sprachlichen Gestaltung unterschiedlich sind. Die Geschichte ist größtenteils linear erzählt. Zu Beginn eines jeden Kapitels gibt es ein passendes Zitat oder einen Auszug aus einem Liedtext.

Das Buch lässt sich leicht und flüssig lesen, die sprachliche Darstellung ist stets verständlich und von durchschnittlicher Art. An einigen Stellen wird Umgangssprache oder vereinzelt leicht vulgäre Begriffe aus dem Erotikbereich verwendet, die jedoch in einem passenden und angemessenen Kontext integriert werden.

Mein Fazit

Angezogen wie eine Motte vom Licht wollte ich wissen, was sich hinter diesem wunderschönen Cover verbirgt. Erwartet habe ich eine schwere Geschichte über zwei junge Menschen, deren Lebenstraum es ist, zu schreiben und deren Weg in einer fast schon philosophischen Art geschildert wird und gar nicht wirklich in das New Adult Genre passt. Doch was habe ich bekommen?

Die Geschichte beginnt unmittelbar mit Indias Umzug nach New York und dem Aufeinandertreffen mit Alec. Spätestens ab hier war klar, welchen Verlauf die Geschichte nehmen wird. Die beiden jungen Erwachsenen, die nebeneinander wohnen und sich gewissermaßen anfreunden und die ewig währende Frage „ist es nur Freundschaft“ ist aus anderen Genrekollegen hinlänglich bekannt. Aber bereits der Einstieg in das Buch hat mir verraten, dass mich hier doch kein gewöhnliches Buch erwartet. Es ist nicht, dass die Story besonders innovativ daherkommt und mit großen Überraschungen aufwartet. Tatsächlich empfand ich den Spannungsbogen der Geschichte als sehr niedrig bis kaum vorhanden, Großteile der Story waren zumindest erwartbar und bis auf einige Ausreißer passiert ziemlich wenig. Dafür bedient sich die Autorin aber auch keinerlei Fake-Drama und unnötiger Klischee-Drama-Punkte, um die Geschichte unnötig zu belasten. Für gelegentlichen Herzschmerz und feuchte Augen war dies auch gar nicht nötig.

Aber – und jetzt kommt das große Aber: Die Kunst dieses Buches ist nicht, zwei Menschen eventuell zueinanderfinden zu lassen, nein, die Kunst dieses Buches ist die Art und Weise, wie die Story beschrieben wird. Noch nie ist mir ein Buch untergekommen, was mich sprachlich so begeistert hat. Die Autorin hat eine unglaubliche Begabung, mit Sprache und Worten umzugehen. Sie zaubert in fast schon magischer Weise ein Buch, welches mich fast ausschließlich durch die Eigenart der Erzählung gefesselt hat. Bereits nach einigen Seiten habe ich verstanden, dass dieses Buch nicht nur eine Liebesgeschichte sein soll, sondern für die Autorin zugleich eine Liebeserklärung ist: Eine Liebeserklärung an das Schreiben und die Worte, durch die sie wunderschöne Geschichten erzählen kann. Denn bei Writers in New York geht es nicht nur um Alec und India. Es geht um die Kunst des Schreibens, um die Magie des Lesens und die Macht der Worte.

Das Buch gewährt für mich noch nie dagewesene Einblicke in das Leben einer Person, die durch ihre Worte die Welt begeistern möchte. Während ich schon immer Bücher gelesen habe, war mir nie wirklich bewusst, was eigentlich alles hinter den Seiten steht, die ich in der Hand halte. Selbstzweifel, der Schaffensprozess, aber auch Gedanken der Autorin finden sich hier teilwiese wieder. Und immer wieder habe ich mich gefragt, wie viel biografischer Inhalt in diesem Buch wohl verarbeitet und versteckt ist. Es gibt grandiose Passagen über den Einfluss von Büchern auf ihre Leser, auf den Einfluss von Lesern auf Autoren und ich habe mich sicher ein dutzend Male regelrecht ertappt gefühlt, dass ich dachte „oh ja, so sehe ich das auch“ oder „ja genau, das sind mein Gründe“.

Mit Alec und India werden einem zwei grundverschiedene, aber irgendwie auch gleiche Charaktere vorgesetzt. Vereint durch die Liebe zum Schreiben, aber geteilt in ihrer Art ist Alec mürrisch, glaubt nicht an Gefühle und für ihn ist sein ganzes Leben nur Recherche und Inspiration für seine Werke, während India hingegen schreiben möchte, doch es ist, als müsse sie erst lernen, wie man schreibt und wie man Inspiration erlangt, denn sie wird von Selbstzweifeln und der Frage geplagt, ob ihre Flucht nach New York richtig war. Und während Alec ihr die Lektionen erteilt, die sie benötigt, um sich zu verbessern und an sich selbst zu glauben, hofft der Leser stets, dass er anfängt zu verstehen, dass er eingeigelt in seine kreative Welt die Schönheit der Realität verpasst. Mehr als einmal möchte man Alec schütteln und ihm zeigen, dass er sich immer wieder selbst sabotiert. India war von Anfang an ein durchweg sympathischer Charakter, während Alec nicht immer Begeisterung in einem auslösen konnte. Beide haben ihre Päckchen der Vergangenheit zu tragen, doch ich empfand es so, dass hierbei vielmehr die Entwicklung von Alec und seine Hintergrundgeschichte im Vordergrund stand. Ein wenig mehr zur Thematik um India und ihre Eltern wäre schön gewesen. Lobend möchte ich an dieser Stelle aber zugleich erwähnen, dass die Autorin es geschafft hat, Alec und India in jeweiligen Kapiteln so eigenständig zu gestalten, dass beide ihre eigene Persönlichkeit haben und widerspiegeln können.

Generell ist es so, dass die Geschichte unaufhaltsam auf ihren dramaturgischen Höhepunkt zusteuert, dann aber mit einigen Twists kurz hintereinander daherkommt. Die größte Enthüllung war für mich persönlich dabei vorhersehbar und ich hatte diese Wendung – wenn auch erst deutlich später – fast so erwartet. Die Umsetzung der Wendung fand ich dabei aber durch den mehrfachen Twists etwas kompliziert und für manche Leser sicher nicht ad hoc verständlich. Lediglich ein Aspekt der Wendung hatte ich so nicht erwartet und gerade dieser Aspekt führte leider dazu, dass ich kurzzeitig Probleme hatte, wieder in das Buch zu finden, da ich mich regelrecht manipuliert und ein Stück weit auch emotional betrogen gefühlt hatte. Doch nach zahlreichen Seiten hatte diese wunderschöne Geschichte sich dann auch wieder in mein Herz zurückgeschlichen und konnte mich mit einem zwar klischeehaften, aber wunderbar passendem Ende begeistern.

Einzig ein kleiner Faktor hat mich persönlich ein wenig gestört: Im Buch werden neben vielen Buchthemen auch zahlreiche Fandoms aus Serien und Büchern angesprochen. Ich finde so etwas immer etwas schwierig, weil viele Leser sicher nicht alle angesprochenen Themen gesehen oder gelesen haben und sich ausgeschlossen fühlen könnten, wenn sie nicht verstehen, was die Autorin verdeutlichen möchte, wenn sie zB von der Beziehung von Chuck Bass und Blair Waldorf redet oder Erkenntnisse aus Modern Family verwerten möchte.

Alles in allem ist Writers in New York eine runde, sehr angenehme und sehr liebevolle Geschichte. Und am Ende habe ich mich dieses eine Mal ausnahmsweise nicht hauptsächlich in die Geschichte zweier Liebender, nicht in die Charaktere selbst oder ihre Erlebnisse verliebt, sondern in die unvergleichliche Schönheit der Worte, mit denen die Autorin diese Geschichte so einfühlsam, behutsam und wunderschön für immer und ewig niederschreibt.

+++ es folgen im Weiteren mögliche Spoiler +++

An dieser Stelle möchte ich noch etwas zu dem bereits angesprochenen, etwas komplexeren Twist sagen. Bereits kurz vorm eigentlichen Twist habe ich das Gefühl gehabt, kurzzeitig den Faden verloren zu haben, weil aus dem Nichts plötzlich eine zweite India als Geist-India in die Story kommt und zudem diverse Buch- und Seriencharaktere real werden. Ich war an der Stelle tatsächlich verwirrt und war an der Stelle der Auslösung, dass alles nur ein Traum gewesen sein soll, kurzzeitig am überlegen, das Buch abzubrechen, da diese abstruse Wandlung für mich keinen Sinn ergab. Als wenige Seiten später dann die Erkenntnis eintrat, dass hier ein Buch im Buch präsentiert wurde, war ich erleichtert. Ich hatte bereits bis zu diesem Punkt diesen Twist erwartet, dass am Ende alles die von Alec und India niedergeschriebene Liebesgeschichte der beiden war, insbesondere da die Charaktere selbst immer wieder damit kokettierten, wie gut sie als Protagonisten in einem Liebesroman wären und teilweise zum Leser sprachen.  

Wieder einige Seiten später erfuhr man dann, dass Alec dieses Ende für das Buch vorgesehen hat, weil das reale Ende – Indias Rückkehr und Alecs Weggang – ihm nicht gefiel. Und an dieser Stelle fing es dann ungewollt an, dass ich mich gefragt habe, wie viel von dem, was ich gelesen habe, deren tatsächlicher Liebesgeschichte entsprach. Und dieser Gedanke ließ mich leider dann etwas länger nicht los. Mein Problem damit war wahrscheinlich, dass ich mich durch Alecs Manipulation an ihrem Ende betrogen gefühlt habe und die mehreren Twists hintereinander einfach zu oft die Gefühle umgeworfen haben und ich mich nicht wieder auf das Buch einlassen wollte, weil jederzeit wieder die Enthüllung hätte kommen können, dass es nur ein weiterer Twist in der Liebesgeschichte zweier Autoren ist. Ein Glück konnte mich die Geschichte aber kurz danach dann doch wieder einfangen. 

 Bewertung: ★★★★

[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, dass mir freundlicherweise von Netgalley und dem Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]