Viele Leute sind fasziniert von Verbrechen. Thriller und
Krimis boomen, rangieren in den Chartlisten vom Kino und Buch stets weit oben. Verständlich,
wenn man bedenkt, dass sie meist das ultimative Böse darstellen und die meisten
Menschen glücklicherweise nie mit Verbrechen in Berührung kommen. Vielleicht
ist auch gerade deshalb die Faszination ungebrochen, vor allem bei realen
Fällen.
Auch im Zeitungssegment ist dieser Trend mittlerweile
angekommen und die ersten regelmäßigen Real Crime Zeitschriften stehen am Kiosk
bereit. Der Stern hat seine Zeitschrift „Crime“ rausgebracht und mittlerweile
ist auch die Zeit mit ihrer Zeitschrift „Verbrechen“ nachgezogen. Doch was
erwartet den Leser bei diesen beiden Zeitschriften? Das stelle ich im Folgenden
vor:
Was ist das?
Die Crime vom Stern erscheint im Gruner+Jahr Verlag in einem
zweimonatlichen Erscheinungsrhythmus. Die aktuelle Ausgabe Nr. 22 erschien im
Dezember 2018. Der aktuelle Verkaufspreis ist 5,50 Euro pro Ausgabe bei einem Umfang
von etwa 140 Seiten pro Ausgabe.
Die Verbrechen von der Zeit erscheint im Zeitverlag in einem
unregelmäßigen Erscheinungsrhythmus. Bisher sind zwei Ausgaben erschienen (Mai 2018
und Dezember 2018). Der aktuelle Verkaufspreis ist 5,95 Euro pro Ausgabe bei
einem Umfang von etwa 120 Seiten pro Ausgabe.
Wie sieht es aus?
Sowohl die Crime als auch die Verbrechen erscheinen als
Zeitschrift mit einem Hochglanzcover im schlichten, geheimnisvollen Design. Die
Zeitschriftenseiten sind auf dickes Mattpapier gedruckt. Das Layout ist sehr
dezent und schlicht gehalten. Vereinzelt werden atmosphärisch hochwertige
Bilder verwendet, es gibt keine sensationslüsternen Schlagzeilen oder Bilder
mit aggressiven Großbuchstaben. Die sparsame Verwendung von Bildern passt bei
beiden Zeitschriften gut zur Message. Von der ersten bis zur letzten Seite
erhält man eine nüchterne optische Darstellungsweise, die den Fokus auf die
Geschichten lenkt.
Vereinzelt erhält man in beiden Zeitschriften Werbeanzeigen,
welche jedoch bei beiden Zeitschriften durchgängig thematisch passend sind –
etwa auf Bucherscheinungen oder Real Crime TV-Formate hinweisen. Beide
Zeitschriften überzeugen insgesamt mit einer hohen Wertigkeit.
Was steht drin?
Beide Zeitschriften werben mit wahren Verbrechen und echten
Kriminalfällen. Inhaltlich und thematisch erwartet den Leser tatsächlich aber
sehr viel mehr.
Die Crime liefert ein buntes Potpourri an nationalen und
internationalen Fällen, die sowohl historischer als auch gegenwärtiger Natur sind.
Es wird hierbei in jeder Ausgabe auf eine Mischung geachtet, dass kein Bereich überlastig
ist. Die Fälle decken die weite Bandbreite der Deliktsgruppen von Mord über
Körperverletzung bis zu Vermögensdelikten ab. Die Crime bringt sowohl gelöste
als auch ungelöste Fälle heraus. Zusätzlich gibt es in jeder Ausgabe mindestens
eine besondere Bildstecke, etwa vom Drogenkrieg in Mexiko, aus dem
Selbstmörderwald in Japan oder von Mafia-Tatorten. Abgerundet werden die Ausgabe
durch Experteninterviews mit unterschiedlichen Protagonisten aus dem Strafrecht
(von Polizisten über Richter bis zu Gutachtern) und dem Werkstattgespräch, wo
in jeder Ausgabe ein Krimiautor interviewt wird. In jeder Ausgabe werden
mehrere Fälle mit unterschiedlichem Umfang vorgestellt, wobei die längeren
Fälle teilweise bis zu 15 Seiten Umfang haben können. Sprachlich bewegt sich die
Stern Crime auf einem neutralen Niveau ohne Wörter wie Bestie, Monster oder
einer verurteilenden Ausdrucksweise. Es wird Raum geschaffen, dass der Leser
sich seine eigene Meinung anhand der Fakten bilden kann. Zu keiner Zeit wirken
hierbei die Darstellungen trocken oder gar langweilig. Die Erzählweisen sind
fesselnd.
Bei der Verbrechen wird vordergründig über deutsche Fälle
berichtet, einmal gab es einen Ausflug ins europäische Nachbarland. Die Fälle sind
fast ausschließlich aus dem Ende des 20. Jahrhunderts, nur wenig aus der
gegenwärtigen Zeit. Sämtliche Fälle sind abgeschlossen. Hierbei nutzt die Verbrechen
alte Artikel, die einst in der Zeit erschienen sind, und versieht sie mit einem
„was danach geschah“. Zusätzlich gibt es auch hier Experteninterviews und
Autorengespräche. Auch in der Verbrechen werden mehrere Fälle vorgestellt, die
jedoch allesamt einen längeren Umfang haben. Die Bandbreite der Delikte ist
nicht so ausgeprägt wie bei der Crime, man ist hier fast ausschließlich im Bereich
der Tötungsdelikte. Innovativ ist ein umfassendes Strafrechtquiz in Ausgabe 2,
allerdings sind die Antworten so kurz gehalten, dass sie für die meisten Leser
eher frustrierend als erheiternd sein dürften. Gerade hier hätte der
interessierte Leser mit Sicherheit mehr als ein „ja“ auf die ein oder andere
Frage gelesen. Sprachlich bewegt sich auf die Verbrechen auf einem neutralen Niveau
ohne verurteilende Ausdrucksweise. Dem Leser wird aber nicht so viel Raum zur
eigenen Meinungsbildung gegeben.
Mein Fazit
Bereits seit der ersten Ausgabe bin ich Abonnentin der Stern
Crime. Mit großem Interesse habe ich daher die Veröffentlichung der Zeit
Verbrechen zur Kenntnis genommen und wollte unbedingt einen Direktvergleich starten.
Beide Zeitschriften sind auf jeden Fall gut aufgearbeitete Zeitschriften mit
einem hohen Informationsgehalt. Anders als in der gängigen Presse wird man hier
nicht mit der typischen Sensationsgier konfrontiert und bekommt viele – auch juristische
– Erklärungen. Insoweit können beide Zeitschriften definitiv überzeugen.
Allerdings gefällt mir inhaltlich die Crime einfach um
Längen besser. Enttäuschend fand ich bei der Verbrechen, dass sämtliche Fälle
aus der normalen Zeit übernommen und letztendlich nur um ein „Update“ ergänzt
wurden. Zwar hat auch die Crime in den Anfangsheften gern einen alten Fall
abgedruckt, allerdings bestand der Rest des Heftes aus neuem Content. Für einen
Preis von fast 6 Euro empfand ich dies wirklich unpassend, dass der neue Gehalt
an dem jeweiligen Fall eine halbe Seite darüber war, was seitdem passiert ist. Leider
kann auch im Hinblick auf die Fallauswahl die Verbrechen nicht so sehr
überzeugen: Fast alle Fälle sind aus den 80er/90er Jahren, die Fälle sind zwar
durchaus interessant, jedoch nicht zu vergleichen mit vielen bislang ungelösten
Fällen, gerade aus dem Bereich USA. Die Crime hat hier einfach den Vorsprung
durch die Vielfältigkeit, sowohl deliktischer als auch erzählerischer Natur.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die Zeit mit ihrer
Verbrechen eine solide Zeitung geschaffen hat, die aber im Schatten des Vorreiters
Stern Crime steht und leider stellenweise auch eher wie eine Kopie wirkt. Das
schlichte Layout, die Verwendung von Fotos und auch die Interviews mit Autoren
und Fachleuten wirken leider abgekupfert. Es ist nachvollziehbar, dass die Zeit
hier auf den „True Crime“ Zug aufspringen möchte, aber falls man sich dauerhaft
etablieren möchte, muss man wohl neuen Content, mehr Abwechslung und vor allem
einen Mehrwert garantieren können. Dem Stern ist mit der Crime eine rundum
interessante, abwechslungsreiche und vielseitige Zeitschrift gelungen, die
einen in ihren Bann zieht und den Blick aufs Böse in einem angemessenen Maß
gewährt, aber auch Raum für eigenen Gedanken garantiert.
Schwankt man zwischen der Anschaffung beider Zeitschriften
oder plant zB das Verschenken eines Abos, würde ich an dieser Stelle die Stern Crime
ans Herz legen.