11.01.2019

Das Duell der True Crime Zeitschriften: Stern Crime vs Zeit Verbrechen




Viele Leute sind fasziniert von Verbrechen. Thriller und Krimis boomen, rangieren in den Chartlisten vom Kino und Buch stets weit oben. Verständlich, wenn man bedenkt, dass sie meist das ultimative Böse darstellen und die meisten Menschen glücklicherweise nie mit Verbrechen in Berührung kommen. Vielleicht ist auch gerade deshalb die Faszination ungebrochen, vor allem bei realen Fällen. 

Auch im Zeitungssegment ist dieser Trend mittlerweile angekommen und die ersten regelmäßigen Real Crime Zeitschriften stehen am Kiosk bereit. Der Stern hat seine Zeitschrift „Crime“ rausgebracht und mittlerweile ist auch die Zeit mit ihrer Zeitschrift „Verbrechen“ nachgezogen. Doch was erwartet den Leser bei diesen beiden Zeitschriften? Das stelle ich im Folgenden vor:


Was ist das?

Die Crime vom Stern erscheint im Gruner+Jahr Verlag in einem zweimonatlichen Erscheinungsrhythmus. Die aktuelle Ausgabe Nr. 22 erschien im Dezember 2018. Der aktuelle Verkaufspreis ist 5,50 Euro pro Ausgabe bei einem Umfang von etwa 140 Seiten pro Ausgabe.

Die Verbrechen von der Zeit erscheint im Zeitverlag in einem unregelmäßigen Erscheinungsrhythmus. Bisher sind zwei Ausgaben erschienen (Mai 2018 und Dezember 2018). Der aktuelle Verkaufspreis ist 5,95 Euro pro Ausgabe bei einem Umfang von etwa 120 Seiten pro Ausgabe.


Wie sieht es aus?

Sowohl die Crime als auch die Verbrechen erscheinen als Zeitschrift mit einem Hochglanzcover im schlichten, geheimnisvollen Design. Die Zeitschriftenseiten sind auf dickes Mattpapier gedruckt. Das Layout ist sehr dezent und schlicht gehalten. Vereinzelt werden atmosphärisch hochwertige Bilder verwendet, es gibt keine sensationslüsternen Schlagzeilen oder Bilder mit aggressiven Großbuchstaben. Die sparsame Verwendung von Bildern passt bei beiden Zeitschriften gut zur Message. Von der ersten bis zur letzten Seite erhält man eine nüchterne optische Darstellungsweise, die den Fokus auf die Geschichten lenkt.
Vereinzelt erhält man in beiden Zeitschriften Werbeanzeigen, welche jedoch bei beiden Zeitschriften durchgängig thematisch passend sind – etwa auf Bucherscheinungen oder Real Crime TV-Formate hinweisen. Beide Zeitschriften überzeugen insgesamt mit einer hohen Wertigkeit.

Was steht drin?

Beide Zeitschriften werben mit wahren Verbrechen und echten Kriminalfällen. Inhaltlich und thematisch erwartet den Leser tatsächlich aber sehr viel mehr.

Die Crime liefert ein buntes Potpourri an nationalen und internationalen Fällen, die sowohl historischer als auch gegenwärtiger Natur sind. Es wird hierbei in jeder Ausgabe auf eine Mischung geachtet, dass kein Bereich überlastig ist. Die Fälle decken die weite Bandbreite der Deliktsgruppen von Mord über Körperverletzung bis zu Vermögensdelikten ab. Die Crime bringt sowohl gelöste als auch ungelöste Fälle heraus. Zusätzlich gibt es in jeder Ausgabe mindestens eine besondere Bildstecke, etwa vom Drogenkrieg in Mexiko, aus dem Selbstmörderwald in Japan oder von Mafia-Tatorten. Abgerundet werden die Ausgabe durch Experteninterviews mit unterschiedlichen Protagonisten aus dem Strafrecht (von Polizisten über Richter bis zu Gutachtern) und dem Werkstattgespräch, wo in jeder Ausgabe ein Krimiautor interviewt wird. In jeder Ausgabe werden mehrere Fälle mit unterschiedlichem Umfang vorgestellt, wobei die längeren Fälle teilweise bis zu 15 Seiten Umfang haben können. Sprachlich bewegt sich die Stern Crime auf einem neutralen Niveau ohne Wörter wie Bestie, Monster oder einer verurteilenden Ausdrucksweise. Es wird Raum geschaffen, dass der Leser sich seine eigene Meinung anhand der Fakten bilden kann. Zu keiner Zeit wirken hierbei die Darstellungen trocken oder gar langweilig. Die Erzählweisen sind fesselnd.

Bei der Verbrechen wird vordergründig über deutsche Fälle berichtet, einmal gab es einen Ausflug ins europäische Nachbarland. Die Fälle sind fast ausschließlich aus dem Ende des 20. Jahrhunderts, nur wenig aus der gegenwärtigen Zeit. Sämtliche Fälle sind abgeschlossen. Hierbei nutzt die Verbrechen alte Artikel, die einst in der Zeit erschienen sind, und versieht sie mit einem „was danach geschah“. Zusätzlich gibt es auch hier Experteninterviews und Autorengespräche. Auch in der Verbrechen werden mehrere Fälle vorgestellt, die jedoch allesamt einen längeren Umfang haben. Die Bandbreite der Delikte ist nicht so ausgeprägt wie bei der Crime, man ist hier fast ausschließlich im Bereich der Tötungsdelikte. Innovativ ist ein umfassendes Strafrechtquiz in Ausgabe 2, allerdings sind die Antworten so kurz gehalten, dass sie für die meisten Leser eher frustrierend als erheiternd sein dürften. Gerade hier hätte der interessierte Leser mit Sicherheit mehr als ein „ja“ auf die ein oder andere Frage gelesen. Sprachlich bewegt sich auf die Verbrechen auf einem neutralen Niveau ohne verurteilende Ausdrucksweise. Dem Leser wird aber nicht so viel Raum zur eigenen Meinungsbildung gegeben.


Mein Fazit

Bereits seit der ersten Ausgabe bin ich Abonnentin der Stern Crime. Mit großem Interesse habe ich daher die Veröffentlichung der Zeit Verbrechen zur Kenntnis genommen und wollte unbedingt einen Direktvergleich starten. Beide Zeitschriften sind auf jeden Fall gut aufgearbeitete Zeitschriften mit einem hohen Informationsgehalt. Anders als in der gängigen Presse wird man hier nicht mit der typischen Sensationsgier konfrontiert und bekommt viele – auch juristische – Erklärungen. Insoweit können beide Zeitschriften definitiv überzeugen.

Allerdings gefällt mir inhaltlich die Crime einfach um Längen besser. Enttäuschend fand ich bei der Verbrechen, dass sämtliche Fälle aus der normalen Zeit übernommen und letztendlich nur um ein „Update“ ergänzt wurden. Zwar hat auch die Crime in den Anfangsheften gern einen alten Fall abgedruckt, allerdings bestand der Rest des Heftes aus neuem Content. Für einen Preis von fast 6 Euro empfand ich dies wirklich unpassend, dass der neue Gehalt an dem jeweiligen Fall eine halbe Seite darüber war, was seitdem passiert ist. Leider kann auch im Hinblick auf die Fallauswahl die Verbrechen nicht so sehr überzeugen: Fast alle Fälle sind aus den 80er/90er Jahren, die Fälle sind zwar durchaus interessant, jedoch nicht zu vergleichen mit vielen bislang ungelösten Fällen, gerade aus dem Bereich USA. Die Crime hat hier einfach den Vorsprung durch die Vielfältigkeit, sowohl deliktischer als auch erzählerischer Natur.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Zeit mit ihrer Verbrechen eine solide Zeitung geschaffen hat, die aber im Schatten des Vorreiters Stern Crime steht und leider stellenweise auch eher wie eine Kopie wirkt. Das schlichte Layout, die Verwendung von Fotos und auch die Interviews mit Autoren und Fachleuten wirken leider abgekupfert. Es ist nachvollziehbar, dass die Zeit hier auf den „True Crime“ Zug aufspringen möchte, aber falls man sich dauerhaft etablieren möchte, muss man wohl neuen Content, mehr Abwechslung und vor allem einen Mehrwert garantieren können. Dem Stern ist mit der Crime eine rundum interessante, abwechslungsreiche und vielseitige Zeitschrift gelungen, die einen in ihren Bann zieht und den Blick aufs Böse in einem angemessenen Maß gewährt, aber auch Raum für eigenen Gedanken garantiert.

Schwankt man zwischen der Anschaffung beider Zeitschriften oder plant zB das Verschenken eines Abos, würde ich an dieser Stelle die Stern Crime ans Herz legen.