22.01.2019

Beck-Dorey Stein - Good Morning Mr. President


480 Seiten, erschienen als eBook und Taschenbuch im Rowohl Verlag am 20.11.2018

„Wenn man jung ist, glaubt man, man hätte ewig Zeit. Aber das Leben ist zerbrechlich. Trotzdem ist das, was wir für andere tun, am Ende das, was uns selbst überleben wird. Es sind die Dinge, die wir bewirkt haben.“ 
(Obama bei einer Rede bei der Dankesfeier für Wahlkampfhelfer)


Worum geht’s?

Rebecca „Beck“ Dorey-Stein ist verzweifelt auf Jobsuche. Auf Craigslist findet sie eine Firma, die eine Stenografin sucht. Besser als nichts, denkt sie sich und bewirbt sich. Was sie nicht ahnt: In Wirklichkeit wird eine Stenografin fürs Weiße Haus gesucht. Und plötzlich befindet sich Beck in einem eigenen kleinen Kosmos und schreibt Geheimgespräche, Reden und Briefings mit. Sie reist mit der Obama-Entourage im In- und Ausland, landet an exotischen Orten, trifft interessante Leute und verliebt sich. In „Good Morning Mr. President“ blickt sie auf ihre sechsjährige Tätigkeit im Weißen Haus zurück und entführt den Leser in eine bis dato unbekannte Welt als Stenografin für einen der mächtigsten Menschen der Welt.



Schreibstil / Gestaltung

Das Cover von „Good Morning Mr. President“ zeigt grob gesehen die Decke vom Oval Office mit Teilen der berühmten Fensterfassade. Die Farbgestaltung ist hierbei sehr stark und nicht natürlich (etwa die pinkfarbene Decke). Die Covergestaltung sagt mir leider überhaupt nicht zu, da sie viel zu kontrastreich ist und unseriös wirkt. Nur aufgrund des Covers würde ich hier nicht zugreifen.

Das Buch ist chronologisch aufgebaut mit einem kurzen Prolog und einem Epilog, dazwischen werden in fünf Akten mit jeweiliger Kapitelunterteilung die Jahre durcherzählt, wobei ein Akt nicht zwingend auch ein Jahr ist. Die einzelnen Kapitel im Akt sind meist monatsweise abgehandelt, manchmal auch monatsübergreifend oder nur an einem bestimmten Tag. Die Akte sind auch unterschiedlich umfangreich.

Das Buch wird aus der Ich-Perspektive von Beck Dorey-Stein erzählt. Bereits ab der ersten Seite konnte mich ihr Erzählstil begeistern. Beck ist eine sehr gute Erzählerin, die mit viel Pepp durch die Erzählungen führt. Die Sprache ist einfach, die Sätze kurz, Becks Berichte aber stets humorvoll, spritzig und häufig auch selbstironisch. Mich konnte Beck wirklich mitreißen und sie war – mit wenigen Ausnahmen – sehr sympathisch.

Mein Fazit

Die amerikanische Politik war schon immer ein Thema, was mich sehr begeistert hat und wozu ich auch schon viele Bücher gelesen habe, etwa „The Residence“ (aus Sicht des Butlers) oder „Inside The Secret Service“. Auf „Good Morning Mr. President“ bin ich durch Pete Souza, ehemaliger Cheffotograf des Weißen Hauses aufmerksam geworden und freute mich daher sehr, als es auf Deutsch erschien, da mir bisher kein Buch aus Sicht einer Sekretärin oder Vergleichbares bekannt war.

Zugegebenermaßen habe ich von diesem Buch etwas Anderes erwartet. Ich hatte gehofft, spannende Insiderberichte über Leben und Arbeiten im Weißen Haus zu erhalten, vielleicht auch die ein oder andere Anekdote über Obama und Erlebnisse, die man bislang so nicht kannte. In dieser Hinsicht gibt das Buch leider wenig her: Obama kommt sehr selten vor und meist als absolute Randfigur, gelegentlich erwähnt Beck ihn auch und huldigt ihn als fantastischen Präsidenten. Man darf hier also keinen Insiderbericht über Obama erwarten, der Titel wäre passender „meine Jahre unter Obama im Weißen Haus“.

Auch das Leben und Arbeiten im Weißen Haus ist nur zeitweise Gegenstand der Erzählungen. Anfangs erfährt man, wie Beck regelrecht in den Job gestolpert ist. Sie wirkte hierbei auf mich ehrlich gesagt ziemlich desinteressiert und auch unsympathisch, als sie sich auf den Ursprungsjob (ohne Wissen ums Weiße Haus) bewarb. Im Laufe der Geschichte steckt sie einem mit ihrer Begeisterung aber dann doch an. Sie erlebt extrem viel und das Buch behandelt wirklich unglaublich viele Erlebnisse. Das meiste hiervon sind Reisen im In- und Ausland. Lustigerweise wirken ihre Erzählungen dabei oftmals, als würde man eine Klassenreise miterleben. Der Leser wird auf jeden Fall feststellen, dass hinter der Fassade viel Spaß zu herrschen scheint. Was ihre eigentliche Arbeit angeht, hält sie sich aber doch bedeckt. Hier und da erzählt sie, dass sie Aufnahmegeräte aufstellt oder Transkripte tippt, das war’s aber auch schon. Was man vergeblich suchen wird, sind Details zu den Reisen, zu den Gesprächen – dies war wahrscheinlich aus Sicherheits- und Geheimhaltungsgründen nicht möglich.

Zu Beck selbst muss ich sagen, dass sie zwar echt sympathisch und lustig rüberkommt, oft aber auch unreif wirkt. Es gibt viele Situationen im Buch, die ein gewisses Fremdschämen in mir auslösten und nicht wie die Worte einer Midzwanzigerin wirkten, die gerade mit einem der mächtigsten Männer der Welt unterwegs ist. So gab es eine Situation, wo ein Kollege ihr Glätteisen mit einem Vibrator verwechselte oder sie in Eile ihre Unterwäsche in den Koffer räumte und ohne Unterwäsche rumlaufen musste. Generell wirkt Beck oftmals etwas verplant und sie erzählt auch, wie sie öfter zu spät kommt, ihre Mitfahrgelegenheit verpasst, sich verläuft oder ihre Sachen vergisst. Ich fand daher interessant, dass jemand mit solchen Eigenschaften auf so einem Posten solange überleben konnte.

Neben den Berichten um ihre Tätigkeiten gibt es auch viel Wissen um Becks Privatleben. Ich muss gestehen, dass ich mich fragte, wieso das so ist. Immerhin ist Beck ja keine bekannte Persönlichkeit, spielt in der Administration keine nennenswerte Rolle und dennoch erfahren wir ihre persönlichen Konflikte teils sehr ausufernd. Da gibt es das Thema rund um ihre Liebschaften und die Probleme, die diese mit sich bringen, die allesamt aber nicht beruflicher Natur sind. Allerdings fand ich die Parts tatsächlich interessant und nett zu lesen.

Insgesamt ist es so, dass das Buch überhaupt nicht meinen Erwartungen entsprach. Ich wollte Politik und bekam eine persönliche Lebensgeschichte. Aber: Beck ist ein lustiger Charakter, der viel erlebt, unterhaltsam schreiben kann und mich daher in anderer Weise durchaus begeistern konnte. Die ein oder andere Erkenntnis um das Thema Obama und Politik in den USA konnte ich aus dem Buch auch gewinnen, etwa hätte ich nie gedacht, wie viel Aufwand und wie viele Menschen hinter den meisten Tätigkeiten stehen. An vielen Stellen hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht, etwa als der Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule oder die Boston Marathon Bombings angesprochen werden. Gerade hier wäre es interessant gewesen, zu erfahren, wie die einzelnen Mitarbeiter und Obama damit umgingen, die Antworten bleibt die Autorin aber schuldig.

Zu diesem Buch kann man meiner Meinung nach bedenkenlos greifen, wenn man eine spritzig dargestellte, unterhaltsame Lebensgeschichte einer Frau lesen möchte, die mit vielen Liebensdramen gespickt wird und als kleines Sahnehäubchen einige Einblicke in das Leben einer Bediensteten des Weißen Hauses gewährt. Zu diesem Buch sollte man aber nicht greifen, wenn man politische Erklärungen, Wissen um Obama und detaillierte Einblicke ins Weiße Haus sucht.

Bewertung: ★★★★

[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, dass mir freundlicherweise von dem Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]